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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sloan
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Verschwörerisch raunt er: »Er sagte, es sei ein Prototyp.«
    Der anonyme E-Reader ist unglaublich: schlank und leicht, mit einer Haut nicht aus Plastik, sondern aus Stoff, wie ein Hardcover-Buch. Wie hat Penumbra einen Prototyp in die Finger bekommen? Wen kennt mein Boss in Silicon Valley?
    »Es ist ein erstaunliches Gerät«, sagt er, legt es zu den anderen und tätschelt den Stapel. »Das Ganze ist ziemlich erstaunlich.« Er hält inne, dann sieht er mich direkt an. »Danke, mein Junge. Dir verdanke ich, dass ich hier bin.«
    Ich muss lächeln. Zeig’s ihnen, Mr. Penumbra. »Wo treffen wir Sie?«
    »Im Dolphin and Anchor«, sagt er. »Bring deine Freunde mit. Ihr findet es schon allein – habe ich recht? Benutzt eure Computer.« Er zwinkert mir zu, dann dreht er sich um und betritt den dunklen Eingang zur Geheimbibliothek des Ungebrochenen Buchrückens.
    Kats Handy geleitet uns an unser Ziel. Es gibt jetzt einen regelrechten Wolkenbruch, darum rennen wir fast den ganzen Weg.
    Das Dolphin and Anchor entpuppt sich als idealer Rückzugsort, mit viel dunklem, schwerem Holz und gedämpftem Licht, das aus Messinglampen strömt. Wir sitzen an einem runden Tisch vor einem Fenster, das mit Regentropfen be sprenkelt ist. Unser Kellner kommt, und auch er ist ideal: groß, breiter Brustkorb, dichter roter Bart und mit einem Gemüt, das uns alle erwärmt. Wir bestellen Bier im Krug; er bringt es uns mit einem Teller Brot und Käse. »Zur Stärkung gegen das Wetter«, sagt er und zwinkert gütig.
    »Was ist, wenn Mr. P nicht aufkreuzt?«, fragt Neel.
    »Er wird aufkreuzen«, sage ich. »Es ist anders, als ich erwartet habe. Er hat einen Plan – ich meine, er hat Lesegeräte dabei.«
    Kat lächelt, schaut dabei aber nicht auf. Sie klebt wieder an ihrem Handy, wie ein Kandidat am Wahltag.
    Auf unserem Tisch befinden sich ein Stapel Bücher und ein Metallbecher mit Bleistiften, die riechen, als seien sie frisch angespitzt und scharf. Der Stapel enthält Ausgaben von Moby Dick, Ulysses, Der unsichtbare Mann  – es ist eine Kneipe für Bibliophile.
    Auf dem Rückdeckel vom Unsichtbaren Mann ist ein blasser Bierfleck, und die Seitenränder des Buchblocks sind mit Bleistiftnotizen vollgeschmiert. Alles ist so eng beschrieben, dass man das Papier darunter kaum noch erkennt – Kommentare von Dutzenden Leuten, die sich alle um den freien Platz drängen. Ich blättere im Buch; es ist zum Bersten voll. In manchen Randbemerkungen geht es um den Text, aber mehr noch sprechen sie sich gegenseitig an und neigen dazu, in Streitigkeiten überzugehen, aber es gibt auch andere Formen des geistigen Austauschs. Manches ist undurchschaubar: ein Dialog, der in Zahlen geführt wird. Ich finde ein verschlüsseltes Graffito:
    6HV8SQ WAR HIER
    Ich nuckle an meinem Bier und knabbere etwas Käse und versuche, den Unterhaltungen zu folgen, die sich über die Seiten erstrecken.
    Dann stößt Kat einen leisen Seufzer aus. Ich schaue sie über den Tisch hinweg an und sehe, wie sich ein tiefes Runzeln in ihre Stirn gräbt und sich ihr Gesicht verzieht. Sie legt ihr Handy auf dem Tisch ab und verdeckt es mit einer der dicken blauen Servietten des Dolphin and Anchor.
    »Was ist los?«
    »Sie haben mir eine E-Mail wegen des neuen PM geschickt.« Sie schüttelt den Kopf. »Diesmal nicht.« Dann ringt sie sich ein Lächeln ab und zieht eins der lädierten Bücher aus dem Stapel. »Keine große Sache«, sagt sie und schlägt die Seiten auf, lenkt sich ab. »Das ist sowieso wie ein Sechser im Lotto. Die Chancen standen ziemlich schlecht.«
    Ich bin kein Unternehmer, kein Businesstyp, aber in diesem Moment wünsche ich mir mehr als alles auf der Welt, eine Firma zu gründen und sie auf Google-Größe aufzubauen, nur, damit ich Kat Potente an ihre Spitze setzen kann.
    Ein nasser Windstoß streift mich. Ich schaue von meiner Lektüre des Unsichtbaren Mannes auf und sehe Penumbra im Türrahmen stehen, die Haarbüschel über den Ohren an den Kopf geklatscht und vom Regen etwas dunkler gefärbt. Er beißt die Zähne zusammen.
    Neel springt auf und geht ihn holen. Kat nimmt ihm den Mantel ab. Penumbra zittert und sagt leise: »Danke, liebes Kind, danke.« Er geht steif zu unserem Tisch und stützt sich auf dem Weg auf die Stuhllehnen.
    »Mr. P, schön, Sie kennenzulernen«, sagt Neel und hält ihm die Hand hin. »Einen tollen Laden haben Sie da.« Penumbra schüttelt sie kräftig. Kat winkt zur Begrüßung.
    »Das sind also deine Freunde«, sagt Penumbra. »Ich

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