Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
Seite erreicht hat, schnell enteilt, nicht zurückschaut.
Und dieser, sein letzter und größter Plan – wird ebenso wenig fruchten.
Ich versuche, ihm hinterherzurennen, aber ich habe keine Kondition, und wie kann es überhaupt sein, dass er so schnell ist? Ich schleppe mich ächzend und keuchend über den Rasen, hin zur Stelle, wo ich ihn zuletzt gesehen habe. Als ich dort ankomme, ist er weg. Googles chaotischer Campus erhebt sich ringsum, Regenbogenpfeile weisen in alle Richtungen gleichzeitig, und die Wege zweigen von hier aus in fünf verschiedene Richtungen ab. Er ist verschwunden.
Das ist die reine Torheit, und es ist zum Scheitern verurteilt, und was dann?
Penumbra ist verschwunden.
DER TURM
KLEINE METALLSTÜCKCHEN
M atropolis hat das Wohnzimmer erobert. Mat und Ashley haben das Sofa zur Seite gerückt, und um durchs Zimmer zu kommen, muss man auf einem schmalen Kanal zwischen den Spieltischen entlangrobben: dem gewundenen Fluss, komplett mit zwei Brücken. Das Geschäftsviertel ist angewachsen; neue Tower ragen aus dem alten Flugplatz empor und stoßen fast an die Zimmerdecke. Ich vermute, dass Mat auch da oben etwas bauen wird. Nicht mehr lange, und Matropolis wird sich den Himmel einverleibt haben.
Es ist nach Mitternacht, und ich kann nicht schlafen. Ich habe immer noch nicht zu meinem 24-Stunden-Rhythmus zurückgefunden, obwohl seit unserem spätnächtlichen Fotoshooting schon eine Woche vergangen ist. Darum liege ich jetzt auf dem Fußboden, ertrinke in den Tiefen des Flusses und kopiere die Drachenlied-Chroniken .
Die Hörbuchausgabe, die ich für Neel gekauft habe, wurde 1987 produziert; der Versandkatalog hat versäumt zu erwähnen, dass sie noch auf Tonbandkassetten vertrieben wird. Tonbandkassetten! Oder vielleicht wurde es auch erwähnt, und ich habe es in der Hektik meiner Sammelbestellung übersehen. Jedenfalls möchte ich immer noch, dass Neel die Hörbücher bekommt, darum habe ich auf eBay einen schwarzen Sony-Walkman für sieben Dollar gekauft und überspiele jetzt die Kassetten auf meinen Laptop, führe eine nach der anderen der großen digitalen Musikbox in den Weiten des Alls zu.
Das geht nur in Echtzeit, darum muss ich mich mehr oder weniger hinsetzen und mir die ersten zwei Bände noch einmal komplett anhören. Aber das ist nicht schlimm, weil Clark Moffat die Hörbücher alle selbst vorliest. Ich habe ihn noch nie sprechen hören, und es ist unheimlich, wenn man weiß, was ich inzwischen über ihn weiß. Er hat eine gute Stimme, rau, aber klar, und ich höre sie förmlich durch Penumbras Laden schallen. Ich kann mir vorstellen, wie es war, als Moffat ihn zum ersten Mal betrat – das Bimmeln des Glöckchens über der Tür, das Knarren der Dielen.
Penumbra wird ihn gefragt haben: Was hoffst du in diesen Regalen zu finden?
Moffat hat sich wahrscheinlich umgesehen, den Laden auf sich wirken lassen – mit Sicherheit die im Dunkeln ver borgenen Bereiche der Ladenhüter bemerkt – und dann viel leicht gesagt: Naja, was würde ein Zauberer lesen?
Darüber wird Penumbra gelächelt haben.
Penumbra.
Er ist verschwunden, und die Buchhandlung ist verwaist. Ich habe keine Ahnung, wo ich ihn finden kann.
Einem Geistesblitz folgend, habe ich die Domainregistrie rung für penumbra.com gecheckt, und tatsächlich: Sie gehört ihm. Sie wurde irgendwann in den Urzeiten des Internets von Ajax Penumbra erworben und 2007 mit der optimistischen Laufzeit von einem Jahrzehnt verlängert … Aber die Registrierung listet nur die Adresse des Ladens auf dem Broadway. Die weitere Google-Suche ergab nichts. Penumbra wirft nur den Hauch eines digitalen Schattens.
Ein zweiter, nicht ganz so heller Geistesblitz veranlasste mich, die silberhaarige Muriel und ihre Ziegenfarm gleich südlich von San Francisco in einem nebelverhangenen Verbund von Feldern namens Pescadero aufzuspüren. Auch sie hatte nichts von ihm gehört. »Er hat so was schon öfter gemacht«, sagte sie. »Sich verdrücken. Aber – normalerweise ruft er an.« Sie runzelte ein wenig die glatte Stirn, und ihre Augen mit den Krähenfüßchenkränzchen verdüsterten sich. Als ich mich verabschiedete, gab sie mir ein handtellergroßes Rad frischen Ziegenkäse mit.
Und von einem letzten, eher schwachen Geistesblitz veranlasst, habe ich die eingescannten Seiten von P ENVMBRA geöffnet. Google war es nicht gelungen, M ANVTIVS zu knacken, aber diese neuzeitlichen Codices Vitae wurden nicht ganz so raffiniert verschlüsselt, und
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