Die Sonne war der ganze Himmel
Vergessen Sie das ja nicht. Ich habe Sie am Arsch, Bartle. Ich kann Sie ficken, wann immer es mir passt. Sehen Sie das hier?« Er hielt mir einen Daumen vor die Nase, stieß seine Faust fest und gezielt gegen meine Wange, drückte den Daumen dann auf das dunkel lackierte Holz des Tresens und drehte ihn hin und her, als würde er ein Insekt zerquetschen. »Das sind Sie. Sie gehören mir. Und noch dazu auf unerlaubtem Ausgang? So einfach kommen Sie mir nicht davon, Private.«
Ich wäre bald raus. Die drei Jahre, für die ich mich verpflichtet hatte, waren so gut wie um. Ich würde die Army verlassen, sobald wir wieder in den Staaten waren. »Das tun Sie sowieso nicht«, sagte ich ohne echte Überzeugung, denn ich wusste, dass Sterling zu allem fähig war. »Ich könnte Sie auch drankriegen. Vergessen Sie nicht, dass Sie damals das Kommando hatten.«
»Ach, was«, brummte er. »Niemand gibt einen Scheiß für Murph.« Er musste lachen, nachdem er den Namen ausgesprochen hatte. Ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht. Während er sprach, blitzten seine Augen, die Farbe schien ihnen zu entweichen, dann erloschen sie. »Das interessiert doch kein Schwein, Mann. Wenn es jemanden interessieren würde, wäre längst etwas passiert. Ist er etwa der einzige scheiß Gefallene mit scheiß Orden und einer scheiß Geschichte für seine Mutter?« Er legte den Kopf in den Nacken, leerte langsam die Flasche, sein Adamsapfel pumpte den Schnaps die Kehle hinunter. Nachdem er ausgetrunken hatte, warf er die Flasche gegen die Wand, direkt über dem Kopf der jungen Frau, aber das dicke Glas hielt – die Flasche knallte gegen die Wand und fiel auf den Boden.
»Wir könnten Bericht erstatten«, sagte ich. »Die ganze Sache einfach hinter uns bringen.«
Er lachte. »Echt typisch, Private. Ganz das autistische Genie.«
Ich erwachte im oberen Stockwerk. Ich lag in einem Bett, besser gesagt auf zwei übereinandergestapelten Matratzen. Die vergilbte Tapete war weiß-gelb gestreift und löste sich stellenweise von der Wand. Weiter hinten im Flur lief ein Wasserhahn. In einem dreckigen Spiegel, den ich durch den Türspalt sah, erblickte ich die junge Frau, die hinter der Bar gestanden hatte. Es dauerte eine Weile, bis ich mich an sie erinnerte. Sie kam in einem schmuddeligen, rosa Bademantel aus dem Bad. Ich sah die Sommersprossen auf ihrer Brust, auf ihren Armen, ihren langen, blassen Beinen.
»Ist er weg?«, fragte ich. Mir war übel.
Sie drückte mir einen feuchten Waschlappen auf die Stirn. »Ja«, sagte sie.
»Du sprichst Englisch.«
»Na klar.«
Ich konnte ihren Akzent nicht einordnen. Einstiche auf den Armen. Ihr blaues Auge war noch dunkler geworden. Pechschwarz. Ich sank wieder auf das Bett. »Tut mir leid«, sagte ich. »Ich hätte etwas tun müssen.«
»Du hast es immerhin versucht.«
»Würdest du …«, setzte ich an. Aber ich wusste nicht, was ich von ihr wollte.
Sie schnitt mir das Wort ab. »Im Ernst?« Sie wirkte plötzlich betrübt, ihre Unterlippe begann zu beben. Dann gab sie mir eine Ohrfeige.
»Nein. Nicht das«, sagte ich, obwohl ich einen dumpfen Drang verspürte, mich danach sehnte, irgendetwas unter Kontrolle zu haben, und sei es nur für zwei Minuten. Aber ich widerte mich gleichzeitig an. Ich dachte an den Soldaten, der mir die Adresse des Puffs gegeben hatte. Inzwischen war er vermutlich tot. Ich stellte mir vor, wie er in sich zusammengesackt war, wie sein Fleisch verweste und verging, wie seine Lippen immer spröder wurden, wie sein Schädel am Ende nur noch von Staub bedeckt war. Ich legte ihre Hände auf meinen Nacken, schob sie auf dem raspelkurzen Haar über meinen Schläfen hin und her. Dann krümmte ich mich zusammen, griff nach einem neben dem Bett stehenden Blecheimer und erbrach mich. Sie rieb mir den Rücken. Dann kniete sie sich vor das Fußende des Bettes, und ich richtete mich auf.
»Ihr seid alle so traurig«, sagte sie.
Ich hörte ein Zwitschern, und als ich aus dem Fenster sah, flogen im fahlen Schein der Laternen mehrere Stare vorbei. Sie flogen entweder im Kreis, oder es waren sehr viele, und die ganze Schar schwirrte ins Licht und wieder hinaus, suchte einen Dachfirst, vielleicht auch einen Baum, der es ihnen erlaubte, seine Äste zu bevölkern, bis er wieder Blätter und Blüten trieb, bis der Winter möglichst weit zurücklag. Wir blieben eine Weile so sitzen. Schließlich ließ ich ihre schmale Taille los und sah sie an. »Sind alle weg?«, fragte ich.
Sie nickte.
»Wenn es
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