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Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)

Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)

Titel: Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward O. Wilson
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auf Artenebene führen, so dass die instinktive Kooperation in Ausmaß und Anzahl zunimmt.
    In den ersten zehn Jahren des 21. Jahrhunderts konzentrierten Biologen und Anthropologen sich stark auf die Evolution der Kooperation. Ihre Schlussfolgerung lautet, dass das Phänomen in der Vorgeschichte der Menschheit durch eine Mischung angeborener Reaktionen aufkam. Diese Reaktionen umfassen das Streben des Individuums nach höherem Status, die Nivellierung hochrangiger Individuen durch die Gruppe sowie der Impuls zu Strafe und Vergeltung für diejenigen, die sich zu weit von den Gruppennormen entfernen. Jede dieser Verhaltensweisen enthält Elemente von Egoismus und Altruismus. Alle sind in Ursache und Wirkung miteinander verbunden, und alle sind auf Gruppenselektion zurückzuführen.[ 48 ]
    Das Gewirr von Impulsen, die im bewussten Gehirn aufkommen, wurde von Steven Pinker in Das unbeschriebene Blatt (2002) sorgfältig katalogisiert:
    Die ablehnenden Emotionen, die zur Verurteilung anderer Menschen führen – Verachtung, Ärger und Abscheu –, veranlassen uns, Betrüger zu bestrafen. Die anerkennenden Emotionen, die zur Akzeptanz anderer Menschen führen – Dankbarkeit und eine Emotion, die man als Erhebung, moralische Hochachtung oder Rührung bezeichnen könnte –, veranlassen uns, Altruisten zu belohnen. Die sympathischen Emotionen, die Einblick in das Leiden anderer Menschen gewähren – Mitgefühl, Mitleid und Empathie –, veranlassen uns, denen zu helfen, die unserer Hilfe bedürfen. Die selbstbezogenen Emotionen schließlich, die sich mit den eigenen negativen Aspekten befassen – Schuld, Scham und Verlegenheit –, veranlassen uns, auf Betrug zu verzichten oder seine Auswirkungen wieder gutzumachen.[ 49 ]
    Die Früchte des seltsamen Erbes, das den menschlichen Geist steuert, sind ständige Ambivalenz und Mehrdeutigkeit. Mensch zu sein heißt auch, andere herabzusetzen, insbesondere diejenigen, die scheinbar mehr bekommen, als sie verdienen. Selbst unter Eliten werden noch subtile Spiele gespielt, um den eigenen Status weiter zu erhöhen und gleichzeitig durch die immer neuen Reihen eifersüchtiger Rivalen hindurchzusteuern. Benimm dich bescheiden, immer bescheiden, lautet die unbedingte Strategie – ein durchaus heikles Unterfangen. Schon der Essayist François de La Rochefoucauld beobachtete im 17. Jahrhundert: «Mäßigung ist die Furcht, dem Neid und der Verachtung anheimzufallen, die diejenigen verdienen, die ihr Glück trunken macht; es ist eine eitle Zurschaustellung unserer Geisteskraft; bei Menschen in höchster Stellung schließlich ist Mäßigung ein Wunsch, dem Schicksal überlegen zu erscheinen.»[ 50 ]
    Nützlich ist es auch, seinen Ruf durch eine Strategie zu verbessern, die in der Forschung als indirekte Reziprozität bezeichnet wird: Demnach wird einem Individuum sogar dann der Ruf von Altruismus und Kooperationsbereitschaft zugestanden, wenn die Handlungen, auf denen das beruht, gar nicht überdurchschnittlich sind. «Tue Gutes und rede darüber», sagt das Sprichwort. Das öffnet Türen, und Gelegenheiten für Freundschaften und Bündnisse mehren sich.[ 51 ]
    Da alle das Spiel kennen, durchkreuzt es gerne, wem sich eine risikofreie Gelegenheit dafür bietet. Wir sind höchst sensibel für Unehrlichkeit und immer bereit, diejenigen herabzusetzen und in ihre Schranken zu weisen, die bei ihrem Aufstieg keine ganz perfekte Bilanz aufzuweisen haben. Allen «Gleichmachern», das heißt so gut wie jedem, steht dafür ein großartiges Arsenal zur Verfügung. Sie können sticheln, lächerlich machen, parodieren und auslachen – zum Schaden der allzu hochnäsigen Ehrgeizlinge. Diese Herabsetzung ist eine Kunst, für die man Witz braucht, das Salz in einer Unterhaltung, das nie würzig genug sein kann. Eines der berühmtesten Beispiele in dieser Hinsicht ist wohl die schlagfertige Antwort von Samuel Foote an John Montagu, den vierten Earl von Sandwich, der ihn gewarnt hatte, er würde entweder am Schanker sterben oder durch den Strick: «My Lord, das wird davon abhängen, ob ich mich an Euer Durchlaucht Geliebte halte oder an Euer Durchlaucht Moral.»[ 52 ]
    Natürlich bewirkt menschliche Kooperation sehr viel mehr als nur die wirksame und vorsorgliche Demontage von Anmaßung. Alle gesunden Menschen sind zu echtem Altruismus in der Lage. Unter allen Tieren sind wir die Einzigen, die in solchem Ausmaß ihre Kranken und Verletzten pflegen, die Armen unterstützen, Hinterbliebene trösten und sogar

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