Die spaete Ernte des Henry Cage
Aktionäre, sondern auch für die Gesellschaft?«
Henry hörte schon nicht mehr zu. Sie befanden sich auf ausgetretenen Pfaden, Thema zahlloser Aufsichtsratssitzungen. Er wusste, dass Charles nun die Litanei anstimmen würde, welche geschäftlichen Gelegenheiten die Firma wegen Henrys Haltung zwangsweise hatte ausschlagen müssen. Schon wahr, auf kurze Sicht betrachtet hatte seine Rechtschaffenheit die Firma Geld gekostet, aber er war trotzdem immer bereit gewesen, langfristige Ziele im Auge zu behalten. Die anderen wohl nicht, wie es schien.
Man hatte Henry eine mehr als großzügige Abfindung angeboten, wenn er friedlich ging. Er sei in einem Alter, in dem er in den Ruhestand treten könne, ohne dass es großen Verdacht erregen würde, meinten die Partner. Weiß Gott, er hatte sich einen Platz an der Sonne verdient. Das Protokoll der Sitzung würde nur seinen Wunsch wiedergeben, in den Ruhestand zu treten – ungewöhnlich, aber unter den gegebenen Umständen das Mindeste, was alte Freunde für ihn tun könnten.
Henry antwortete mit einer Ruhe, die er innerlich nicht spürte.
»Ich akzeptiere natürlich Ihre Einladung zum Rücktritt. Ich bedaure, nicht mehr ausreichend Aktienanteile zu halten, um diese Entscheidung zu beeinflussen, aber vielleicht würde ich diesen Einfluss auch nicht mehr nutzen, selbst wenn ich ihn hätte. Sie haben recht: Ich gehöre nicht mehr hierher. Ich war mir nie sicherer.« Er hatte innegehalten und sich umgesehen. Allein Charles hielt seinem Blick stand.
»Seien Sie versichert, wenn es so weit ist, werde ich meine Rolle bei allen rührseligen Abschiedsfeierlichkeiten, die Sie abzuhalten wünschen, spielen.«
Henry war aufgestanden und hatte den Raum verlassen; seine Aufsichtsratsakten hatte er offen auf dem Tisch liegen lassen. Schließlich wurde das Schweigen von Roy Greening gebrochen. »Na, das scheint er ja locker weggesteckt zu haben.«
Unten im Waschraum im fünften Stock übergab sich Henry in eine Kloschüssel.
Roy hatte sich getäuscht, was Henrys Brief anging. Er hatte eine ganze Reihe von Meinungsäußerungen ausgelöst, welche die Leserbriefseite der
Times
drei Wochen lang füllten. Henry blieb dabei nicht ohne Unterstützung; etwa sechzig Prozent sprachen sich in seinem Sinne aus.
Die BBC hatte den Wetterbericht verteidigt. Die Zeit, die für jede einzelne Region vorgesehen war, so schrieb die Sendeanstalt, würde allein von der Komplexität derWetterbedingungen in einer bestimmten Gegend zu einem bestimmten Tag oder einer Stunde diktiert. Man rechne nicht nach, wie viel Zeit jeder einzelnen Region gewidmet sei, doch gehe man davon aus, dass es über das Jahr betrachtet keine sonderlich großen Abweichungen gebe. Man schätze, dass die Kosten der Überstunden für eine solche Prozedur wohl etwa zwanzigtausend Pfund im Jahr betragen würden, und man frage sich, ob Mr Cage tatsächlich wolle, dass die Fernsehgebühren dafür ausgegeben würden?
Eine ziemlich spießige Antwort, hatte Henry gefunden, und das hatte er auch gesagt, als er eingeladen wurde, die Frage auf
Newsnight
zu diskutieren. Er hatte sich zwei Verteidigern der Wetterberichte gegenübergesehen: einem schottischen Nationalisten, der im Parlament saß, und einem Fachidioten von der BBC, der die offizielle Linie vertrat. Beide meinten es peinlich ernst. Henry war ziemlich locker geblieben und hatte das Studio in bester Laune verlassen, so sehr hatte es ihn gefreut, wieder im Rampenlicht zu stehen.
Die Euphorie hielt zwei Tage lang an. Freunde hatten ihn angerufen und ihm zu seinem Auftritt gratuliert, sogar Mrs Abraham war beeindruckt gewesen, ihn wieder im Fernsehen zu sehen. »Wie in alten Zeiten, Mr Cage. Nett, Sie mal über etwas anderes reden zu hören als nur Wirtschaft, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Am Abend des dritten Tages, als er gerade mit einem Abendbrottablett auf dem Schoß vor dem Fernseher saß, flog ein Ziegelstein durch sein Wohnzimmerfenster. Henryschrie auf, der Ziegelstein rutschte über einen Tisch und warf die gerahmten Fotos zu Boden. Überall lag Glas. Sein unterdrückter Schrei wich einem Hustenanfall, deshalb brauchte er ein, zwei Minuten, bevor er an die Haustür gehen konnte. Auf der anderen Straßenseite stand Mr Pendry in seiner Einfahrt.
»Ich hab’s krachen hören, hab einen Lieferwagen wegfahren sehen – tut mir leid, das Nummernschild hab ich nicht erkannt, nicht mit meinen alten Augen. Ganz schön zähe Burschen, diese Wetterleute.« Kichernd schloss er
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