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Die spaete Ernte des Henry Cage

Die spaete Ernte des Henry Cage

Titel: Die spaete Ernte des Henry Cage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Abbott
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dieser Art von schmutziger Verunglimpfung festgestellt, Sir, dass das Opfer meist eine Ahnung hat, wer ihm das wohl schickt; ich meine, ›Perverser‹ ist schon eine ziemlich spezifische Beleidigung – wissen Sie, normalerweise gibt es irgendeinen Zwischenfall, der uns als Hinweis dient. Sind Sie sicher, dass Sie sich an keinen unangenehmen Zwischenfall erinnern können?«
    »Nein, tut mir leid.«
    Henry war noch nie ein überzeugender Lügner gewesen, und der Detective Sergeant hielt mit seiner Skepsis nicht hinter dem Berg.
    »Also, ich vermute, jemand hat Sie im Fernsehen gesehen, konnte also Namen und Gesicht miteinander in Verbindung bringen, und hat Sie dann aufgespürt.«
    »Ich stehe nicht im Telefonbuch.«
    »Aber Henry Cage & Partners, richtig? Ich habe dort angerufen – habe mich als Freund aus New York ausgegeben, der Ihnen ein Buch schicken möchte. Man hat mir ohne Weiteres Ihre Privatadresse gegeben. Und mein amerikanischer Akzent ist nicht sonderlich überzeugend.«
    Henry hatte ihm nichts von dem Kopfstoß und dem Zwischenfall in der Brasserie sagen wollen. Er spürte, dass der Beamte schon halb davon ausging, dass die Briefeihre Berechtigung hatten. Niemand wird ohne Grund als Perverser beschimpft. Das ist etwas anderes als »Reiches Arschloch« oder »Kanake«. Das ist nicht nur ein Schimpfwort, dahinter versteckt sich eine Geschichte.
    »Tut mir leid, mir fällt dazu nichts weiter ein. Ich rufe Sie gegebenenfalls an.« Henry hatte den Beamten aus dem Haus haben wollen.
    »Sie machen doch nichts Unüberlegtes? Keinen Alleingang?«
    »Das wäre wohl ziemlich schwierig«, erwiderte Henry unumwunden, »ich weiß ja nicht mal, hinter wem ich her sein sollte.«

9.
    Der Vandalismus hatte Mrs Abraham ganz streitsüchtig gemacht, und Henry fand ihre ständigen Vorschläge ermüdend.
    »Und was ist mit Außenbeleuchtung, Mr Cage? Das soll die Verbrechensrate drastisch senken, sagt man. Flutlicht vor dem Haus. Das würde ich machen, wenn ich das Geld hätte.«
    »Mal sehen, in Ordnung? Vielleicht ist derjenige ja jetzt fertig.«
    Mrs Abraham schniefte. »Warum sollten die denn aufhören? Niemand tut etwas, um sie zu stoppen.«
    Henry war aufgefallen, dass sie ziemlich viel Zeit damit verbrachte, die vorderen Fenster zu putzen oder den Weg zum Eingang zu fegen. Sie wollte wohl die vorbeikommenden Fahrzeuge und Passanten kontrollieren, nahm er an.
    »Haushälterin nimmt Täter fest« – Henry sah schon die Schlagzeile vor sich, dazu ein Foto von Mrs Abraham an der Haustür, an
seiner
Haustür.
    Henry hatte sie gebeten, zwei Wochen bezahlten Urlaub zu nehmen, bis alles wieder seinen normalen Gang gehen würde. Er wolle vielleicht zu einem Freund fahren und sich dort ausschlafen, hatte er gesagt. Sie hatte die unerwartete Arbeitspause gut gelaunt akzeptiert, hatte die Lüge dahinter gespürt, war aber nicht darauf eingegangen.
    Kaum hatte er das Haus für sich allein, wurde Henry zum Nachtmenschen. Es hatte keine weiteren Briefe mehr gegeben, und die letzten paar Nächte waren ereignislos geblieben, aber er wusste, es war nicht vorüber – er war sicher, dass noch mehr passieren würde. Er blieb die ganze Nacht in einem Wohnzimmersessel sitzen, den er ans Fenster geschoben hatte. Direkt vor seinem Haus gab es keine Straßenlaterne, aber er konnte das Tor und den weißen Palisadenzaun gut sehen, auch die Straße dahinter.
    Als er müde wurde, hörte er sich auf einem Radio, das klein genug war, um in die obere Sakkotasche zu passen, den Nachrichtensender an. Er hatte es gekauft, um es bei den Kricket Test Matches dabeizuhaben, doch während des gesamten letzten Jahres hatte er es mit ans Bett genommen. Nur so konnte er einschlafen. Er lag auf der rechten Seite, Ohrstecker im linken Ohr, und döste ein, während Berichte über wild gewordene Kängurus liefen, die eine kleine Außenstation in Nordaustralien terrorisierten, oder von einem am ganzen Körper tätowierten Mann aus Alabama. Es gab nicht genug wichtige Nachrichten, um vierundzwanzig Stunden zu füllen, und gegen vier Uhr früh jagte eine Trivialmeldung die nächste. Für das Gehirn war es leicht, aus reiner Selbstverteidigungabzuschalten, doch nun sollten dieselben Banalitäten und Wiederholungen ihn wach halten.
    Henry hatte eine große Thermoskanne Kaffee neben sich stehen, dazu Sandwiches, die er sich am Tag gekauft hatte. Um sich nicht am Fenster zu verraten, hatte er die Sandwiches schon in der Küche leise ausgepackt. Er wusste, wie

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