Die spaete Ernte des Henry Cage
Kreise immer klein zu halten.«
Er war nackt, hopste recht unansehnlich auf der Matratze herum und benutzte seine zusammengeknüllten Socken, um ihr die richtige Technik zu zeigen. Maude hatte beschlossen, seinem Rat zu folgen, und zehn Minuten später hatte sie ihren Kreis um den Faktor Eins verkleinert.
8.
Roy Greening entdeckte Henrys Leserbrief in der
Times
. Ungläubig las er ihn und eilte kichernd ins Nebenbüro.
»Schau dir das mal an, Henry ist endgültig durchgedreht.«
Charles England sah von seinem Schreibtisch auf. »Lies mir vor. Du siehst so aus, als würde dir eine Wiederholung Spaß machen.«
»Das wird dir gefallen. Hör zu.«
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie die meisten Engländer interessiere auch ich mich für das Wetter und bin regelmäßiger Zuschauer der Wettervorhersagen der BBC. Bin ich der Einzige, dem aufgefallen ist, dass während eines typischen zweiminütigen Wetterberichts ein übergroßer Teil der Zeit dem Wetter in Schottland gewidmet ist? Mr Fish und seine Kollegen sind verständlicherweise Wetterenthusiasten, und zweifellos ist das Wetter dort abwechslungsreich
und häufig dramatischer als bei uns, aber das sollte nicht die Form des Wetterberichts beeinflussen. Die Hälfte der Zeit für ein Wetter zu verwenden, für das sich nur drei Schäfer und fünf Fischer interessieren (ich übertreibe), während zehn Millionen Londoner mit dem Südosten zusammengeworfen und in nur ein paar Sekunden abgehandelt werden, ist meiner Ansicht nach ein wenig unausgewogen. Schon wahr, wir haben unsere eigene örtliche Vorhersage, aber das dürfte für die Schotten wohl auch gelten. Meine Frage lautet: Sollte nicht jenes Wetter, das die meisten Menschen betrifft, auch die längste Sendezeit erhalten?
Henry Cage
London S. W. 7
»Ich finde, da hat er recht«, meinte Charles.
»Ja, aber das ist Henry Cage, der Ex-Firmenguru – was schwatzt er da über das Wetter? Das ist so … so läppisch, findest du nicht?«
Charles blieb tolerant.
»Vielleicht ist ihm langweilig – vielleicht ist er auch unglücklich. Hast du ihn gesehen, seit er fort ist?«
»Leider nein – niedergeschlagene Menschen ziehen mich immer so runter, deshalb meide ich sie.«
»Vielleicht sollten wir mal mit ihm essen gehen?«
»Er wird uns zum Teufel jagen. Warum sollte er uns verzeihen? Wir haben ihm seine Firma weggenommen.«
Henrys Entfernung aus der Firma war mit fester Hand, aber nicht sonderlich feinfühlig durchgeführt worden.Seine Partner hatten sich die Stimmen der beiden nicht geschäftsführenden Direktoren gesichert und wurden von der Bank und den Hauptkunden unterstützt. Man brachte Henry gegenüber zum Ausdruck, dass er seinen Geschäftssinn verloren habe und dass einige seiner jüngsten Erklärungen bei Konferenzen und in der Presse (vom Jahresbericht ganz zu schweigen) geradezu exzentrisch unternehmensfeindlich und, offen gestanden, wenig hilfreich gewesen seien.
Charles hatte sogar versucht, das Ganze philosophisch zu betrachten.
»Du hast diese Firma gegründet, wir haben sie gegründet, weil du daran geglaubt hast, dass es einen besseren Weg gibt, Geschäfte zu führen. Und niemand kann behaupten, du hättest nicht praktiziert, was du gepredigt hast. Die meisten Menschen in diesem Gebäude haben sich komfortable Nester gebaut, und zwar nur, weil die Partner in den Anfangstagen die Dividenden sehr weit gestreut haben. Obwohl ich zugeben muss, dass es einige unter uns gibt, die, wenn sie gedurft hätten, mehr für sich behalten hätten.« Sein Versuch, witzig zu sein, stieß auf Schweigen – seine Selbstironie war zu offensichtlich in ihrer Selbstgefälligkeit.
»Aber die Zeiten haben sich geändert. Wenn ich so sagen darf, Henry, die Art von Liberalismus der Sechziger, an den du glaubst, wirkt heute veraltet. Die Gesetzgebung hat uns alle zu Liberalen gemacht – Mindestlohn, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, sogar Erziehungsurlaub für Väter, diese ganze Teilhabergesellschaft. Der Krieg ist vorbei,Henry, aber du tust immer noch so, als stünden wir auf den Barrikaden.«
An dieser Stelle hatte Charles jeglichen Versuch aufgegeben, liebenswürdig zu bleiben. »Ich persönlich finde das langsam ermüdend – und für die Firma kommerziell kontraproduktiv. Warum sollten wir zum Beispiel nicht für British American Tobacco arbeiten? Wenn wir ihnen helfen können zu diversifizieren und sie weniger abhängig vom Tabakgeld zu machen, wäre das doch eine gute Sache, nicht nur für unsere
Weitere Kostenlose Bücher