Die spaete Ernte des Henry Cage
Besonderes, und er hatte beschlossen, sie zu behalten. Wochenlang war er herumgelaufen und hatte mit der leeren Kamera dies und das geknipst. Die Blende war so leise wie bei einer Agentenkamera. Auch wenn die Diebstähle und sein Temperament ihn in allerlei Besserungsanstalten gebracht hatten, machte er weiter seine Schnappschüsse. Jetzt hatte er drei Kameras – die Leica, eine Nikon und eine Polaroid fürs Schlafzimmer. Er hatte sich geschworen, niemals auf Digital umzusteigen.
Eileen hatte er kennengelernt, als er einen Abend pro Woche den Fotoclub leitete. Modefotos. Die meisten Fuzzis, die dort auftauchten, waren Loser – die wollten nur ihre Linse dorthin stecken, wohin ihre Schwänze nie kamen. Für ihn ging es ums Geld. Eileen war als Model gebucht worden. Sie wollte die nächste Samantha Fox werden, aber sie war besser. Nicht wegen ihrer Oberweite, sonst aber schon.
Nach der Session hatten sie ein Glas zusammen getrunken, und er hatte ihr angeboten, ihr zu helfen. Nach einem Monat war sie bei ihm eingezogen, und seitdem stellten sie eine Sedcard zusammen. Eileen war eine echte Schönheit, alles an ihr war perfekt. Normalerweise gab es immer etwas, das man besser verbarg; hatten sie eine tolle Rückenpartie, musste man bei ihrer Visage kotzen. Nur ganz wenige waren einfach makellos. Eileen erlaubteihm nicht, Pornoaufnahmen mit der normalen Kamera zu machen. Auf Polaroid war in Ordnung, aber nicht für die Sedcard. Colin hatte Zeit. Im Augenblick würden die Bilder für die Seite Drei genug Geld einbringen. Egal, die Polaroids waren ihm gerade recht gekommen, um diesen Irren in Chelsea auf die Palme zu bringen. So viel war mal klar. Als er durchs Fenster gelinst hatte, hatte er diese Gemälde an der Wand gesehen. Der Mann mochte es offenkundig gern nackt.
22.
Wann immer Henry länger fort war, nutzte Mrs Abraham die Gelegenheit, um ein paar kleine zusätzliche Arbeiten zu erledigen. Henry war ein ordentlicher Mensch, aber natürlich hinterließ er überall seine Spuren. Es gab Wasserflecken auf den Badezimmerspiegeln und von der Druckerschwärze der Zeitungen Abdrücke an Türen und Schränken. In der Küche entdeckte sie Schmierflecken von Schuhcreme auf dem Boden, und im Flur fanden sich immer Trittspuren auf der Fußleiste unter dem Spiegel. Mrs Abraham bemerkte die Anzeichen von Henrys Anwesenheit mit kaltem Blick und putzte hinter ihm her. Wenn sie das Haus um ein Uhr verließ, verriet nur noch die Kleidung in den Schränken, dass es sich hier um ein Haus handelte, in dem ein Mann alleine wohnte.
War Henry verreist, kümmerte sich Mrs Abraham um die Dinge, die sie normalerweise nicht schaffte: den Teppich zu schamponieren, die Türen gründlich abzuwischen, die Vorhänge in die Reinigung zu bringen oder, dasKniffligste von allem, Bücher abzustauben. Dass Henry nichts von dieser liebevollen Fürsorge bemerkte, entmutigte Mrs Abraham nicht. Der Feind war der Schmutz. Das war ihr ganz persönlicher Feldzug.
Bei den Büchern staubte sie ein Regalbrett nach dem anderen ab, sie fing oben an und arbeitete sich nach unten vor. Offenkundig sortierte Henry seine Bücher nicht nach logischen Kriterien. Dennoch ging Mrs Abraham davon aus, dass es wohl ein System geben mochte und dass es nicht ihre Aufgabe sei, sich zu fragen, warum ein Gartenbuch von einem gewissen Russell Page neben den Memoiren eines gewissen Peter Brook stehen sollte. Also achtete sie sorgsam darauf, dass jedes einzelne Buch wieder an seinen ursprünglichen Platz zurückkehrte. Henry hatte tatsächlich ein System, das mit der Höhe eines Buchs und der Farbe des Umschlagrückens zu tun hatte. Er vermied beißende Farbkombinationen und Blöcke einer bestimmten Farbe, und er stellte größere Bücher in einem gewissen Abstand voneinander hin, um so ein einheitliches Bild zu schaffen. War der Umschlagrücken zu lebhaft in der Farbgestaltung, um sich einfügen zu lassen, dann warf Henry den Schutzumschlag einfach fort. Henry schämte sich ein wenig für dieses System, und er wusste, die Schutzumschläge zu entfernen, war finanziell eine Idiotie.
Mrs Abraham stand oben auf der Trittleiter, als die Polaroids herausfielen. Wie das Schicksal es wollte, fielen alle drei, wie Toast, mit der Butterseite nach unten. Mrs Abraham stieg die Leiter hinunter, hielt den Lyrikband in der Hand, aus dem die Fotos gefallen waren, und rechnetehalb damit, ein paar verlegte Aufnahmen von einem jungen Tom oder einer lächelnden Nessa vorzufinden.
Die zwei
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