Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die spaete Ernte des Henry Cage

Die spaete Ernte des Henry Cage

Titel: Die spaete Ernte des Henry Cage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Abbott
Vom Netzwerk:
schüttelte den Kopf und ging nach unten.

29.
    Wenn Vertraulichkeit erforderlich war, traf sich Ed Needy manchmal außerhalb des Büros mit Bewerbern. Das war normalerweise dann der Fall, wenn die Firma einen hochrangigen Angestellten eines Konkurrenzunternehmens abwerben wollte. Diese Überflieger wurden nervös, wenn es um mögliche Treffen im Büro ging, und schlugen meist einen Drink nach der Arbeit oder, was heutzutage immer öfter vorkam, ein Frühstück vor. Das war der Grund, warum Ed nun an einem Tisch in der Brasserie am Sloane Square saß und auf eine junge Dame wartete, die zutiefst enttäuscht von ihrem jetzigen Arbeitgeber war – und vor allem von ihrem letzten Neujahrsbonus.
    Ein Termin mit Ed war der letzte Akt im Anstellungsdrama. Er führte die Gespräche, in denen es um Gehalt, Spesen, Dienstwagen und ab und zu gar Anteilsoptionen ging – alles, was man unter geldwertem Vorteil verstehen konnte. Ed war gut in seinem Job. Sein Hauptaugenmerk lag darauf, die infrage kommende Person einzustellen,doch wenn er innerhalb des festgelegten Finanzrahmens ein paar Tausender einsparen konnte – und das tat er meistens –, dann würde man das ganz oben bemerken, wie er wusste. Er war erst kürzlich zum Direktor der Personalabteilung für Großbritannien und Europa ernannt worden, aber damit endeten seine Ambitionen nicht. Ed war erst fünfunddreißig, und er ging davon aus, dass er in ziemlich aussichtsreicher Position war, um eines Tages die gesamte Firma zu führen.
    Wer war schließlich besser geeignet als ein Personalmensch, die Leitung in einem Geschäftszweig zu übernehmen, in dem das gesamte Inventar jeden Abend im Fahrstuhl nach unten fuhr? Dass er sich mit den Leichen in den Schränken der Chefetage auskannte, verbuchte er ebenfalls auf der Habenseite. Ed war ein geduldiger Mensch, und er hatte seine Ambitionen bislang gut verheimlichen können.
    Henry war einer der wenigen gewesen, die ihm misstraut hatten.
    »Er hat etwas Unangenehmes an sich, findest du nicht? Diese alberne Art, wie er den Kopf beim Sprechen neigt, stets fünfzehn Grad aus der Senkrechten. Er schaut noch nicht mal gerade.«
    Henry hatte sich mit Charles vor einer Aufsichtsratssitzung unterhalten, bei der Ed Needy gebeten worden war, die Kosten einer Personalbefragung zu kalkulieren. Diese Revision war Henrys Idee gewesen.
    »Warum finden wir nicht heraus, was die Angestellten wirklich von uns halten? Wir holen uns ein Untersuchungsbürovon außerhalb, die alle Personen, die nicht im Aufsichtsrat sitzen, befragen – bei garantierter Anonymität –, und dann legen wir die Ergebnisse bei einer Mitarbeiterversammlung vor. Ich bin sicher, da können wir eine Menge lernen, Gutes und Schlechtes.«
    Ed war die Aufgabe übertragen worden, diesen Vorschlag mit ein paar Zahlen zu unterfüttern. Er hatte ein Büro um einen Kostenvoranschlag gebeten. Man verlangte als Honorar dreißigtausend Pfund. Die Interviews sollten einen Monat dauern, der Bericht weitere vierzehn Tage. Bei dem Aufsichtsratsmeeting hatte Henry dafür plädiert, das Angebot anzunehmen, hatte aber feststellen müssen, dass er damit in der Minderheit gewesen war.
    Roy hatte sich deutlich dagegen ausgesprochen.
    »Das ist einfach zu viel Geld, außerdem sorgt das nur für Unruhe. Das Ganze wird den Unzufriedenen in der Firma als Blitzableiter dienen.«
    »Meinst du nicht, dass wir davon erfahren sollten, wenn es Unzufriedenheit in der Firma gibt?«, hatte Henry sanft nachgehakt.
    »Natürlich sollten wir das, gewiss.« Charles hatte sich zurückgelehnt. »Aber wir haben noch andere Möglichkeiten, das herauszufinden. Wir sind doch alle ziemlich gut darin, der Firma den Puls zu fühlen – du vor allem, Henry –, und meiner Meinung nach gibt es mit der Arbeitsmoral kein Problem, das man nicht durch ein paar Gespräche mit den Abteilungsleitern wieder ausbügeln könnte. Und dreißigtausend oder mehr, also, das ist ein Haufen Geld, um ein wenig Dampf abzulassen. Ich nehmemal an, die Angestellten hätten diese Summe lieber aufs Weihnachtsgeld draufgeschlagen. Was hältst du davon, Ed?«
    Henry hatte eigentlich damit gerechnet, dass Needy wie übliche eine neutrale Antwort geben würde. Seine Technik bestand darin, die verschiedenen Möglichkeiten mit all ihren Vor- und Nachteilen aufzuzählen, aber niemals eine eigene Position zu beziehen. Diesmal hatte er Henry überrascht.
    »Ich neige dazu, dir recht zu geben, Charles. Ich persönlich glaube nicht, dass das

Weitere Kostenlose Bücher