Die Sphaeren
vorbereitet. Es fiel ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Sein Blick kehrte zu Droffo zurück. »Was soll ich tun? Worin besteht meine Pflicht?«
Auch das schien den guten Grafen zu verblüffen, nur für einen Augenblick. »Sir«, sagte er, »Sie könnten der Bahre des Königs entgegenreiten.«
Oramen nickte. »Das könnte ich, ja.«
»Es besteht keine Gefahr, Sir. Die Schlacht ist gewonnen.«
»Ja«, erwiderte Oramen. »Natürlich.« Er stand auf und sah an Droffo vorbei zu einem der Bediensteten. »Puisil … Bitte hol den Dampfwagen.«
»Es dauert eine Weile, bis sich genug Dampf entwickelt«, sagte Puisil. »Sir.«
»Dann verlier keine Zeit«, riet ihm Oramen im Tonfall der Vernunft. Der Bedienstete wandte sich zum Gehen, als der Palastsekretär Fanthile hereinkam. »Einen Moment«, wandte er sich an Puisil, der daraufhin zögerte. Der Blick des Dieners huschte zwischen dem jungen Prinzen und dem älteren Palastsekretär hin und her.
»Ein Streitross wäre vielleicht die bessere Wahl, Sir«, sagte Fanthile zu Oramen. Er lächelte und verbeugte sich vor Droffo, der ihm zunickte. Fanthile bekam allmählich eine Glatze, und Falten durchzogen sein Gesicht, aber der hochgewachsene, schlanke Mann stand noch immer aufrecht und stolz.
»Glauben Sie?«, fragte Oramen. »Aber mit dem Wagen wäre ich schneller.«
»Das Reittier steht sofort zur Verfügung, Sir«, sagte Fanthile. »Und es wäre angemessener. Darauf sind Sie besser zu sehen. Sie sollten sich der Öffentlichkeit zeigen, Sir.«
Man kann hinten im Dampfwagen meines Vaters stehen, hätte Oramen erwidern können. Doch er erkannte den Sinn in den Worten des Sekretärs.
»Außerdem ist die Straße vielleicht voll«, fügte Fanthile hinzu, als er das Zögern des Prinzen sah. »Ein Reittier kann durch Lücken schlüpfen …«
»Ja, natürlich«, entgegnete Oramen. »Na schön. Puisil, wenn ich bitten darf …«
»Sir.« Der Bedienstete verließ den Raum.
Oramen seufzte und verstaute seine Unterlagen. Fast den ganzen Tag hatte er an einer neuen Art von Notenschrift gearbeitet. Wie der Rest des Haushalts hatte er den frühen Morgen
im Keller verbracht, wegen der Gefahr, dass die Deldeyn vom nahen Turm ausbrachen – wenn sich die Dinge schlecht entwickelt hätten, wären sie durch unterirdische Tunnel zu einer ganzen Flotte von Dampffahrzeugen in den unteren Bereichen der Stadt geflohen. Doch dann war ihnen gestattet worden, die Keller zu verlassen, als es der Feind mit einer so großen und gut vorbereiteten Streitmacht zu tun bekam, dass er schon bald keine Gefahr für die Stadt mehr darstellte und sich stattdessen auf das eigene Überleben konzentrierte.
Am späten Vormittag hatte man Oramen dazu überredet, zusammen mit seinem Lehrer Shir Rocasse auf ein Balustradendach zu klettern, um von dort aus über des stufenförmige Palastgelände und die höheren Bereiche der Hügelstadt zum Xiliskischen Turm und dem Schlachtfeld zu blicken, das Telegrafenberichten zufolge sich fast ganz darum herum erstreckte. Aber es war nur wenig zu sehen gewesen. Selbst am Himmel hatte sich überhaupt nichts abgespielt. Heutzutage gab es kaum mehr die großen Kriegsschwärme aus Caude und Lyge, die in der alten Zeit das Firmament verdunkelt und vergangenen Schlachten etwas Romantisches gegeben hatten. Heute mussten sie sich damit begnügen, Patrouille zu fliegen, Nachrichten zu überbringen, Artilleriestellungen auszumachen und kleine Angriffe durchzuführen, die kaum mehr waren als Überfälle. Hier in der Achten vertrat man die Ansicht, dass solche Flugtiere bei modernen Bodenkämpfen keine wichtige Rolle mehr spielten, und zwar wegen der Maschinen und der damit verbundenen Taktiken, die König Hausk selbst entwickelt hatte.
Gerüchten zufolge verfügten die Deldeyn über dampfbetriebene Flugmaschinen, aber wenn sie bei der heutigen Schlacht
präsent gewesen waren, so nur in kleiner Zahl und ohne erkennbare Wirkung auf den Verlauf der Kämpfe. Oramen war ein wenig enttäuscht gewesen, was er seinem Lehrer gegenüber aber nicht zu erkennen gab – Rocasse war überaus patriotisch, rassenbewusst und fromm. Schließlich hatten sie das Dach wieder verlassen, um den Unterricht fortzusetzen.
Shir Rocasse war dem Ruhestand nahe und hatte während des letzten Kurzjahrs gemerkt, dass es kaum mehr etwas gab, das er Oramen lehren konnte, abgesehen von Dingen, die aus Büchern auswendig gelernt werden mussten. Seit einiger Zeit benutzte der Prinz die Palastbibliothek
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