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Die Sphaeren

Die Sphaeren

Titel: Die Sphaeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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damit Senble sauber machen oder die Kinder ungestört streiten konnten.
    Wenn er nach draußen ging, um woanders Platz zu nehmen, Pfeife zu rauchen und in Ruhe die Zeitung zu lesen, hieß es bei seiner Rückkehr oft vorwurfsvoll, dass er die mageren Ressourcen der Familie im Wetthaus oder im Trinkladen vergeudet hatte, ob er nun dort gewesen war oder nicht. Allerdings benutzte er anschließend genau diese Anschuldigungen
als Vorwand, um ebenjenen Aktivitäten, nachzugehen, die man ihm zur Last gelegt hatte.
    Machte ihn das zu einem schlechten Mann? Er glaubte nicht. Er hatte mit Senble sechs Kinder gezeugt und sie umarmt, als sie geweint und um die beiden verlorenen Kinder getrauert hatte; er war immer bemüht gewesen, nach besten Kräften für die überlebenden vier zu sorgen. Wo er seine Kindheit verbracht hatte, wäre das Verhältnis von Lebenden und Toten umgekehrt gewesen.
    Holse hatte seine Frau nie geschlagen, was in seinem Freundeskreis ungewöhnlich war. Er hatte nie irgendeine Frau geschlagen, was ihn eindeutig von anderen Männern unterschied. Er erzählte mehrmals, dass sein Vater das Familienkontingent an Prügel für Frauen verbraucht hatte, den größten Teil davon an Holses armer Mutter. Über viele Jahre hinweg hatte er seinem Vater an jedem Tag den Tod gewünscht und darauf gewartet, dass er groß genug wurde, um ebenfalls zuzuschlagen und seine Mutter zu schützen, doch schließlich war es die Mutter gewesen, die aus dem Leben schied. Eines Tages fiel sie draußen bei der Feldarbeit einfach tot um.
    Damals glaubte er sie von ihrem Leid erlöst. Sein Vater war danach ein anderer Mann, vielleicht deshalb, weil er sie vermisste oder sich verantwortlich glaubte. Zu jener Zeit hatte sich Holse fast groß genug gefühlt, um vor seinen Vater zu treten und ihm die Stirn zu bieten, aber der Tod der Mutter hatte seinen Vater so sehr verändert, dass es gar nicht nötig war. Eines Tages brach Holse auf und kehrte nie mehr heim – er ließ seinen Vater in der Hütte zurück, wo er ins Feuer starrte. In der Stadt wurde er Bediensteter im Palast. Jemand aus dem Dorf, der ein Jahr später die gleiche Reise machte, berichtete
ihm, dass sich sein Vater einen Monat später erhängt hatte, nach einer weiteren schlechten Ernte. Holse nahm die Mitteilung ohne Anteilnahme oder Kummer entgegen, fühlte nur so etwas wie bestätigte Verachtung.
    Wenn Ferbin und er so lange fortblieben, dass man ihn offiziell für tot erklärte … Vielleicht heiratete Senble dann wieder, oder entschied sich, mit einem anderen Mann zusammenzuleben. Ausgeschlossen war das nicht. Sie würde um ihn trauern – das hoffte er, aber er wäre nicht bereit gewesen, sein Geld darauf zu wetten -, doch er konnte sich nicht vorstellen, wie sie sich voller Gram die Haare raufte oder bei seiner alten Unge-Pfeife schwor, sich nie von einem anderen Mann anrühren zu lassen. Wenn sie die Bedienstetenwohnung aufgeben musste, blieb ihr vielleicht gar nichts anderes übrig, als einen anderen Mann zu finden. Wie würde er sich fühlen, wenn er bei der Rückkehr feststellte, dass jemand anders seinen Platz einnahm und seine Kinder einen anderen Mann Papa nannten?
    Die Wahrheit lautete: Er hätte sich fast über die Gelegenheit gefreut, noch einmal von vorn zu beginnen. Er respektierte Senble und liebte seine Kinder, aber wenn sich ein anständiger Bursche um sie kümmerte, hätte er keine große Eifersuchtsszene gemacht. Sich einfach mit den Dingen abzufinden und den Weg fortzusetzen, das war vielleicht das Beste. Gute Wünsche für alle Beteiligten, und dann ein Neuanfang. Er war noch jung genug, um ein neues Leben zu genießen, und gleichzeitig alt genug, um auf einen Schatz aus Erfahrungen zurückgreifen zu können.
    Machte ihn das zu einem schlechten Mann? Vielleicht. Aber in dem Fall wären alle Männer schlecht gewesen. Eine
Vorstellung, der seine Frau vermutlich zugestimmt hätte, wie die meisten Frauen, die Holse kannte, angefangen bei seiner armen Mutter. Doch auch das war nicht seine Schuld. Die meisten Männer – und zweifellos auch die meisten Frauen – lebten und starben unter dem allgemeinen Gewicht ihrer Triebe und Bedürfnisse, ihrer Erwartungen und Hoffnungen. Sie waren hin- und hergerissen vom Verlangen nach Sex, Liebe, Bewunderung, Bequemlichkeit, Bedeutung, Reichtum und so weiter. Gleichzeitig mussten sie die Wege beschreiten, die jene ganz oben für richtig und angemessen hielten.
    Im Leben hoffte man, das zu tun, was man tun konnte, aber

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