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Die Sphaeren

Die Sphaeren

Titel: Die Sphaeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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ansichtig geworden war. »Sieh nur, Ramile! Ich erinnere mich an das hübsche Gesicht, wenn auch nicht an den Namen nach so langer Zeit. Wie geht es Ihnen, Sir? Ich heiße Renneque, und Sie?«
    Oramen hatte gelächelt. »Werte Damen, Renneque, Ramile … Freut mich, euch wiederzusehen. Bin ich nachlässig gewesen?«
    Renneque schniefte. »Ich denke schon. Es gibt Männer, die in den Krieg gezogen und trotzdem öfter am Hof zu sehen sind als du, Oramen. Sind wir so langweilig, dass du uns aus dem Weg gehst, Prinz?«
    »Absolut nicht. Ganz im Gegenteil. Ich kam mir selbst so unsäglich öde und schal vor, dass ich es für besser hielt, mich vom Alltäglichen fernzuhalten, in der Hoffnung, durch
Kontrast interessanter zu wirken, wenn wir uns erneut begegnen.«
    Renneque dachte noch darüber nach, als Ramile scheu lächelte und zu ihr sagte: »Ich glaube, andere Frauen an anderen Orten gefallen dem Prinzen besser.«
    »Tatsächlich?«, erwiderte Renneque und gab sich unschuldig.
    »Vielleicht sind wir unerwünscht«, fügte Ramile hinzu.
    Renneque hob das schmale Kinn. »Mag sein«, erwiderte sie. »Möglicherweise sind wir für den Prinzen nicht gut genug.«
    »Oder wir sind zu gut für ihn«, überlegte Ramile laut.
    »Wie könnte das sein?«, fragte Oramen. Ihm fiel nichts Besseres ein.
    »Es stimmt«, sagte Renneque. »Manchen Männern ist Verfügbarkeit wichtiger als Tugend, wie ich hörte.«
    »Und eine von Geld statt von Scharfsinn gelockerte Zunge«, fügte Ramile hinzu.
    Oramen spürte, wie er errötete. »Es gibt auch Männer, die einer ehrlichen Dirne mehr vertrauen als einer besonders tugendhaft und höfisch erscheinenden Dame«, sagte er.
    »Bei einigen ist das vielleicht der Fall, aus reiner Perversion«, entgegnete Renneque, deren Augen bei dem Wort »Dirne« groß geworden waren. »Doch seltsam wäre es, wenn ein Mann von Ehre und mit gutem Urteilsvermögen eine jener Frauen als ›ehrlich‹ bezeichnen sollte.«
    »In solcher Gesellschaft können die eigenen Werte leiden, wie so vieles andere«, meinte Ramile und schüttelte ihre lange blonde Lockenpracht.
    »Ich wollte damit sagen, dass eine Hure ihren Lohn nimmt
und sonst nichts mehr erwartet«, erklärte Oramen. Als er diesmal »Hure« sagte, wirkten beide Frauen vor ihm überrascht. »Sie liebt für Geld und verhehlt es nicht. Das ist ehrlich. Aber es gibt auch Frauen, die ihre Gunst scheinbar umsonst anbieten, später aber viel verlangen von einem jungen Mann mit aussichtsreicher Zukunft.«
    Renneque starrte ihn so an, als hätte er den Verstand verloren. Sie öffnete den Mund, vielleicht um etwas zu sagen. Ramiles Gesichtsausdruck erfuhr eine noch deutlichere Veränderung: Zorn wich listiger Schläue und dann einem wissenden Lächeln.
    »Komm, Renneque«, sagte sie und zog die andere Frau mit sich. »Der Prinz verwechselt uns, wie in einem Fieber. Wir ziehen uns besser zurück, damit das Glühen aus seinem Gesicht verschwindet, bevor wir uns damit anstecken.«
    Sie drehten sich um und gingen, die Nasen hoch in der Luft.
    Oramen bereute seine Unhöflichkeit fast sofort, glaubte aber, dass es für Entschuldigungen zu spät war. Er vermutete, schon vorher verärgert gewesen zu sein. Früher am Morgen hatte er einen Brief von seiner Mutter bekommen, den ganzen weiten Weg aus dem fernen Kheretesuhr, und darin hieß es, dass sie von ihrem neuen Ehemann hochschwanger war und den ärztlichen Rat bekommen hatte, keine weiten Reisen zu unternehmen. Es kam also nicht infrage, dass sie sich auf den Weg nach Pourl machte. Ein neuer Ehemann?, hatte Oramen gedacht. Schwanger? Sogar hoch schwanger, was bedeutete, dass es keine neue Verbindung war. Er hatte nichts davon gewusst – seine Mutter hatte es nicht für nötig gehalten, ihm eine Mitteilung zu schicken. Das Datum des Briefes
lag Wochen zurück; er schien Schwierigkeiten gehabt zu haben, ihn zu finden.
    Oramen hatte sich verletzt und hintergangen gefühlt, irgendwie betrogen und verschmäht. Er wusste noch immer nicht, wie er auf den Brief antworten sollte. Vielleicht war es sogar besser, ganz auf eine Antwort zu verzichten. Ein Teil von ihm wollte einfach schweigen, damit sich seine Mutter fragte, warum er sie nicht auf dem Laufenden hielt. Sie sollte sich vernachlässigt fühlen, so wie er.
    Während er noch im Bett lag, den fernen Geräuschen des Triumphes lauschte und sich dabei fragte, welche Gefühle das siegreiche Ende des Krieges in ihm weckte – ihn verwunderte der Umstand, dass seine

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