Die Sphaeren
Hyeng-zhar, blinzelte Schweiß aus den Augen und fragte sich, wie eine so gewaltige, donnernde Kraft und eine so feurige Hitze allein durch die baldige Abwesenheit von Sternen gezähmt und zur Ruhe gebracht werden konnten. Die Wissenschaftler waren sicher, dass es geschehen würde, und sie sahen dem Ereignis aufgeregt entgegen – es gab also kaum Zweifel daran, dass es wirklich dazu kommen würde. Tyl Loesp wischte sich die Stirn ab. Was für eine Hitze. Er wäre gern unter dem Wasser gestanden.
Rasselle, Hauptstadt der Deldeyn, war zum Schluss schnell gefallen. Nach vielen Klagen von Werreber und einigen anderen hohen Offizieren – und nach etlichen Hinweisen darauf, dass die gewöhnlichen Soldaten seltsame Zurückhaltung übten, wenn es darum ging, gefangene Deldeyn zu töten -, hatte tyl Loesp den allgemeinen Befehl in Hinsicht auf die Behandlung der Gefangenen und die Plünderung von Städten zurückgenommen.
In der Rückschau wurde ihm klar: Er hätte Hausk dazu bringen sollen, die Deldeyn mehr zu dämonisieren. Chasque war begeistert gewesen, und zusammen hatten sie Hausk davon zu überzeugen versucht, dass es die Moral von Soldaten und Zivilisten verbessern würde, wenn sie lernten, die Deldeyn hingebungsvoll zu hassen. Doch der König war, typisch für ihn, zu vorsichtig gewesen. Hausk unterschied zwischen den Deldeyn als Volk einerseits und ihrem Oberkommando und dem verdorbenen Adel andererseits; er räumte sogar ein,
dass sie einen ehrenvollen Feind abgaben. Außerdem musste er sie nach ihrer Niederlage regieren, und ein Volk, das aus gutem Grund einen zu Blutvergießen neigenden Besatzer hasste, machte eine friedliche, erfolgreiche Herrschaft unmöglich. Allein aufgrund dieses praktischen Aspekts hielt der König ein Massaker für falsch und kontraproduktiv. Furcht dauerte eine Woche, Zorn ein Jahr und Groll ein ganzes Leben, hatte Hausk argumentiert. Nicht, wenn man die Furcht immer wieder erneuert, hatte tyl Loesp erwidert, aber seine Einwände waren zurückgewiesen worden.
»Besser widerwilliger Respekt als entsetzte Unterwerfung«, hatte Hausk gesagt, ihm nach der Diskussion und seiner Entscheidung auf die Schulter geklopft. Tyl Loesp hatte auf eine Antwort verzichtet.
Nach Hausks Tod war nicht genug Zeit geblieben, die Deldeyn in verhasste, unmenschliche Objekte zu verwandeln, denen man mit Furcht und Verachtung begegnete, so wie es nach tyl Loesps Meinung von Anfang an hätte sein sollen. Aber er hatte sich alle Mühe gegeben, einen entsprechenden Wandel einzuleiten.
Nun, letztlich war ihm keine andere Wahl geblieben, als von der stahlharten Strenge seiner früheren Anweisungen in Hinsicht auf die Behandlung von Gefangenen und Städten abzuweichen. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass ein guter Kommandeur immer bereit war, Taktik und Strategie veränderten Umständen anzupassen, solange ihn jeder Schritt dem Ziel näher brachte.
Er glaubte, die Situation zu seinem Vorteil genutzt zu haben mit dem Hinweis, dass seine neue Milde ein Geschenk für die Soldaten der Achten und die Bewohner der Neunten
war, eine wohlmeinende Abkehr von dem Rachebefehl, den König Hausk im Sterben gegeben hatte.
Savidius Savide, für die Oct Peripatetischer Sondergesandte für außergewöhnliche Ziele unter nützlichen Eingeborenen, beobachtete den schwimmenden Menschen tyl Loesp, als man ihn zum vorbereiteten Platz an Bord des Transferschiffes geleitete.
Das Transferschiff gehörte zu den wenigen, die sowohl in der Luft fliegen als auch unter Wasser schwimmen konnten, abgesehen von den normaleren vertikalen Reisen im Vakuum von Türmen. Es schwebte im relativ tiefen Wasser des Sulpitin-Hauptkanals, zwei Kilometer vom Rand des Hyeng-zhar entfernt. Der Mensch namens tyl Loesp war in einem kleinen U-Boot hierher gebracht worden. Er trug einen Luftanzug, an den er ganz offensichtlich nicht gewöhnt war. Die Eskorte brachte ihn zu einem Klammersitz auf der anderen Seite des Empfangsraums, wo ihm die Schulterstützen mithilfe seines eigenen Auftriebs Halt gewährten. Als sich die Oct-Wache zurückgezogen hatte, schuf Savide einen membrangepufferten Lufttunnel zwischen sich und dem Menschen, damit sie mit etwas sprechen konnten, das ihren eigenen Stimmen nahe kam.
»Tyl Loesp. Und, willkommen.«
»Gesandter Savide«, erwiderte der Mensch und öffnete seine Gesichtsmaske versuchsweise für den wabernden Lufttunnel zwischen ihnen. Er wartete einige Momente und sagte dann: »Sie wollten mich sprechen.« Tyl
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