Die Sphaeren
war, weil es im Innern einer exotischen Schalenwelt lebte. Erwartete man von ihr, dass sie in Sursamen etwas unternahm? Und wenn ja, was? Was konnte man von ihr zu tun erwarten, ohne Instruktionen, ohne eine klar umrissene Mission und vor allem ohne ihre besonderen Fähigkeiten?
Anaplian wusste es nicht. Sie steckte bereits in genug Schwierigkeiten, weil sie ihren Einsatz auf Prasadal einfach so abgebrochen und sich auf den Weg nach Hause gemacht hatte. Die BU-Ausbildung war voller Geschichten über Agenten, die plötzlich alle Brücken hinter sich abbrachen und mit eigenen Missionen begannen, die meistens ein schlechtes Ende nahmen.
Nur einige wenige Geschichten zielten in die andere Richtung und erzählten von Agenten, die gute Gelegenheiten für ein vielversprechendes Eingreifen verstreichen ließen, weil ein spezielles Mandat oder Anweisungen fehlten. Die Botschaft lautete: Man halte sich an den Plan, sei aber zu Improvisationen bereit. (Und: Man höre auf seine Drohne beziehungsweise andere Begleiter, weil sie die Sache für gewöhnlich klarer und weniger emotional sahen – deshalb waren sie da).
Man halte sich an den Plan. Es ging nicht darum, einfach Befehlen zu gehorchen. Wenn man aufgefordert wurde, sich an den Plan zu halten, so sollte man nach Meinung der Kultur wenigstens ein Mitspracherecht dabei haben, wie der Plan aussah. Und wenn sich bei dem Versuch, sich an den Plan zu halten, die Umstände änderten, so sollte man genug Initiative und Urteilsvermögen haben, den Plan zu ändern und entsprechend zu handeln. Man fuhr nicht einfach damit fort, blind Befehle auszuführen, wenn sie durch eine Veränderung im Kontext in offensichtlichem Widerspruch zur Erreichung des angestrebten Ziels standen oder wenn sie gegen den gesunden Menschenverstand oder die guten Sitten verstießen. Mit anderen Worten: Man blieb verantwortlich.
BU-Rekruten und vor allem solche Auszubildende, die aus anderen Gesellschaften zu den Besonderen Umständen kamen, gewannen manchmal den Eindruck, dass Leute, die schworen, einfach nur Befehle zu befolgen, besser dran waren: Sie konnten sich ganz darauf konzentrierten, ihre Mission zu einem erfolgreichen Ende zu bringen, anstatt sich auch mit den ethischen Folgen auseinandersetzen zu müssen. Doch da dieser Unterschied bei der Herangehensweise als einer der wichtigsten Gründe dafür galt, dass Kultur und BU
allen anderen moralisch überlegen waren, sah man darin einen geringen Preis für das angenehme Gefühl, in ethischer Hinsicht weiter zu sein als die anderen hoch entwickelten Zivilisationen.
Anaplian würde sich also an den Plan halten, und der Plan war: heimkehren, sich benehmen, zurückkehren, die Arbeit fortsetzen. Eigentlich ganz einfach, oder?
Sie stimmte in Quikes Lachen ein, als er das Ende einer Geschichte erreichte, der sie kaum zugehört hatte. Sie tranken noch mehr Chapantlic aus ihren klirrenden Kelchgläsern, und Anaplian bekam einen Schwips – das Klirren der Gläser schien ihren Kopf vibrieren zu lassen.
»Ich sollte jetzt besser gehen«, sagte sie schließlich. »Es war interessant, mit Ihnen zu reden.«
Quike stand mit ihr auf. »Wirklich?« Er wirkte plötzlich verunsichert, sogar leicht verletzt. »Ich wünschte, Sie würden bleiben.«
»Ach, tatsächlich?«, erwiderte Anaplian kühl.
»Ich hatte gehofft, dass Sie bleiben«, gab Quike zu und lachte nervös. »Ich dachte, wir kämen gut miteinander zurecht.« Er bemerkte die Verwirrung in ihrem Gesicht und fügte hinzu: »Ich dachte, wir hätten geflirtet.«
»Das haben Sie gedacht?«, fragte Anaplian. Sie hätte am liebsten die Augen verdreht. Es geschah nicht zum ersten Mal, dass sie so etwas erlebte – es musste an ihr liegen.
»Nun, ja«, sagte er und lachte fast. Er winkte mit dem einen Arm und deutete auf eine Innentür. »Mein Schlafraum ist, äh, gemütlicher als dieses wenig einladende Zimmer.«
»Da bin ich sicher«, erwiderte Anaplian.
Sie merkte, dass es dunkler wurde. Etwas spät, dachte sie.
Eine weitere Kehrtwendung. Anaplian untersuchte ihre Gefühle und stellte fest: Trotz der Plötzlichkeit und des Umstands, dass sie müde war, regte sich ein wenig Interesse in ihr.
Quike trat auf sie zu und griff nach ihrer Hand. »Djan Seriy«, sagte er leise, »ganz gleich, welches Bild von uns wir auf die Welt projizieren, auf andere und sogar auf uns selbst: Wir sind trotzdem Menschen, nicht wahr?«
Sie runzelte die Stirn. »Sind wir das?«, fragte sie.
»Ja. Und Mensch zu sein oder
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