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Die Sphaeren

Die Sphaeren

Titel: Die Sphaeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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überall an den Wänden volle Bücherregale entlangzogen. Der Raum schien eine kleine Bibliothek zu sein, und er saß in ihrer Mitte. Er wollte sich umdrehen und sehen, wer die andere Person war, aber auch dazu konnte er sich nicht aufraffen. Wer auch immer es sein mochte: Der Unbekannte zog Bücher aus den Regalen, blätterte in ihnen und ließ sie dann einfach fallen. Das beunruhigte Oramen. Es war
unordentlich und auch respektlos. Wie sollte er oder jemand anders bestimmte Bücher wiederfinden, wenn der Unbekannte sie einfach zu Boden warf?
    Oramen versuchte sich umzudrehen, aber er schaffte es nicht. Er nahm seine ganze Kraft zusammen und wollte den Kopf bewegen, doch es ging einfach nicht. Was er bisher für Mattigkeit gehalten hatte – ein Gefühl, das ihm noch vor wenigen Momenten akzeptabel und sogar angenehm erschienen war, weil es aus ihm selbst kam -, erwies sich jetzt als etwas, das ihm von außen aufgezwungen wurde. Etwas gestattete ihm nicht, sich zu bewegen. Der Unbekannte, der hinter ihm in den Büchern suchte, lähmte ihn.
    Dies war ein Bild, begriff Oramen. Der Raum symbolisierte sein Bewusstsein, die Bibliothek das Gedächtnis und die Bücher spezielle Dinge, an die er sich erinnerte.
    Die Person hinter ihm blätterte durch seine Erinnerungen!
    Und der Grund dafür? Eine Vermutung regte sich in ihm …
    Ihm war zuvor ein Gedanke gekommen. Ein vager Gedanke, über den nachzudenken kaum lohnte, weil er so irrational und unnötig abscheulich und beunruhigend zu sein schien. Stand jener Gedanke, jenes Wort, irgendwie mit dem in Verbindung, was jetzt geschah?
    Er war in die Falle gelockt worden. Wer auch immer das Zimmer durchsuchte, die Bibliothek und Regale, die Bücher und ihre Kapitel, Sätze und Worte, die ihn selbst und seine Erinnerungen definierten – er musste Verdacht geschöpft haben. Oramen wusste nicht, worum es dabei ging, und er wollte es auch gar nicht wissen, aber er fühlte den schrecklichen, unter anderen Umständen vielleicht komischen, in
dieser Situation jedoch entsetzlichen Zwang, nicht daran zu denken, was …
    Dann fiel es ihm ein, und das Wesen hinter ihm, das seine Gedanken und Erinnerungen durchsuchte, fand es zur gleichen Zeit. Als er sich an diesen einen flüchtigen Gedanken erinnerte, als das eine, begrabene Wort plötzlich in ihm aufstieg … Es lief auf die Bestätigung einer schrecklichen Möglichkeit hinaus. Das Wesen …
    Du bist doch nicht …, dachte Oramen. Du bist doch nicht …
    In seinem Kopf explodierte etwas: Es blitzte ein Licht, noch heller als das jenseits des Fensters, greller als der Schein eines vorbeiziehenden Rollsterns, ein Gleißen, wie er es nie zuvor gesehen hatte.
    Er flog zurück, als hätte er sich nach hinten geworfen. Ein sonderbares Geschöpf segelte vorbei – Oramen bekam es nur ganz kurz zu sehen: ein Oct mit blauem Körper und roten Gliedern, in die glitzernde zweite Haut eines Schutzanzugs gehüllt. Dann prallte etwas gegen sein Kreuz, und er überschlug sich, fiel ins Leere, drehte sich noch immer …
    Er stieß gegen etwas, mit großer Wucht; es zerbrach, und er fühlte Schmerz, und das Licht verschwand und nahm ihn mit.
     
    Es gab kein Erwachen, nicht im plötzlichen Hier-bin-ich-Sinn. Stattdessen schien das Leben – wenn man es Leben nennen konnte – in ihn zurückzusickern, langsam, Tropfen für Tropfen, Stück für Stück, wie Silse-Regen von einem Baum, begleitet von Qualen und einem schrecklichen, zermalmendem Gewicht, das ihn daran hinderte, sich zu bewegen.

    Oramen befand sich wieder in dem Zimmer mit den vielen Büchern und saß reglos auf dem Holzstuhl. Er dachte zunächst, von dem fesselnden Einfluss befreit zu sein und aufstehen zu können, aber nach einem kurzen Gefühl von Bewegung fand er sich erneut in der kleinen Bibliothek wieder, diesmal nicht auf dem Stuhl, sondern auf dem Boden, lang ausgestreckt, hilflos wie ein Baby. Er hatte keine Kontrolle, konnte sich nicht rühren, nicht einmal den Kopf heben. Er wusste, dass sich andere in der Nähe befanden, er spürte Bewegung und noch mehr Schmerz, aber nichts zeigte sich in seiner wahren Form, nichts ergab einen Sinn. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, er wollte um Hilfe bitten, um ein Ende dieser zermürbenden Pein, aber nur ein Wimmern entrang sich seiner Kehle.
    Er war wieder wach. Er musste eingeschlafen sein. Noch immer quälte ihn starker Schmerz, aber er schien etwas dumpfer geworden zu sein. Er konnte sich nicht bewegen! Oramen versuchte, sich

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