Die Sphaeren
schürzte kurz die Lippen. »Einen Teil davon musste ich heute beobachten.«
»Ich habe einige Bilder gesehen.« In dem aus metallenen Ranken gebildeten Gesicht erschien das Äquivalent eines Stirnrunzelns. Dann schloss Batra die Sensoraugen und gab damit zu verstehen, dass er Daten empfing. Anaplian fragte sich, ob er sich den Angriff auf die Stadt ansah oder vielleicht ihren kleinen Ausflug mit dem Sitzreiter.
Batra öffnete die Augen wieder. »Das Wissen, dass so viel Schlimmeres geschieht, wo wir nichts tun, und immer geschehen ist, bevor vor eintrafen – und dass so viel Schlimmeres geschehen könnte, wenn wir untätig blieben -, scheint von nur geringer Bedeutung zu sein im Vergleich mit der grässlichen Realität von Aggression, die wir leider nicht verhindern konnten. Das ist umso mehr der Fall, wenn wir daran beteiligt waren, so etwas zuzulassen oder gar zu ermöglichen.« Er klang aufrichtig betroffen. Anaplian, die hundert Prozent natürlichen, absolut unveränderten normalen Menschen mit angeborenem Misstrauen begegnete, fragte sich, ob Batra – dieses bizarre, mehrfach veränderte und zweitausend Jahre alte Wesen, das von sich selbst noch immer als »Er« dachte – echtes Gefühl zum Ausdruck brachte oder ihr einfach nur etwas vormachte. Es war nur ein kurzer Gedanke, denn sie hatte schon vor einer ganzen Weile die Sinnlosigkeit solcher Überlegungen begriffen.
»Nun, es ist erledigt«, sagte sie.
»Und es gibt noch viele andere Dinge, die erledigt werden müssen«, erwiderte Batra.
»Wir werden sie ebenfalls hinter uns bringen«, sagte Anaplian und verlor allmählich die Geduld. Mit ihrer Geduld war es ohnehin schlecht bestellt. Eine Schwäche, wie man ihr zu verstehen gegeben hatte. »Vermutlich«, räumte sie ein.
Der metallene Busch rollte ein wenig zurück, und das Gesicht in ihm schien zu nicken. »Djan Seriy, ich habe Neuigkeiten«, sagte Batra.
Etwas in der Ausdrucksweise des Wesens ließ Anaplian innerlich erzittern. »Tatsächlich?«, fragte sie und glaubte, in ihrem Innern zu schrumpfen.
»Djan Seriy, ich muss Ihnen mitteilen, dass Ihr Vater tot ist und auch Ihr Bruder Ferbin nicht mehr am Leben sein könnte. Es tut mir leid. Das gilt sowohl für die Nachricht selbst als auch für den Umstand, dass ich der Überbringer sein muss.«
Anaplian lehnte sich zurück und zog die Füße an, mit dem Ergebnis, dass das langsam schaukelnde Ei des schwebenden Sessels sie fast ganz umgab. Sie atmete tief durch und streckte die Beine ganz bewusst. »Na so was«, sagte sie. »Na so was.« Sie wandte den Blick ab.
Es war natürlich etwas, auf das sie sich vorzubereiten versucht hatte. Ihr Vater war ein Krieger. Sein ganzes Leben als Erwachsener hatte er Krieg und Kampf gewidmet, und meistens führte er seine Truppen selbst an. Darüber hinaus widmete er sich auch der Politik, allerdings mit der Einschränkung, dass er dieses besondere Handwerk erlernen musste, wohingegen ihm der Krieg im Blut lag. Anaplian hatte immer gewusst, dass er sterben würde, bevor er ein hohes Alter erreichte. Während ihres ersten Jahres bei den seltsamen Leuten, die sich »Kultur« nannten, hatte sie halb erwartet, von seinem Tod zu hören, und sie war bereit gewesen, sofort heimzukehren.
Als die Jahre vergingen, hatte sie nach und nach aufgehört, sich Gedanken darüber zu machen. Sie hatte auch zu glauben begonnen, dass es ihr relativ wenig bedeuten würde, wenn sie schließlich von seinem Tod erfuhr.
Man musste sich eingehend mit Geschichte befassen, bevor man einen Platz beim Kontakt fand, und die Tätigkeit bei den Besonderen Umständen erforderte weitere Vorbereitungen. Je mehr Anaplian über die Entwicklungstendenzen von Gesellschaften und Zivilisationen erfuhr, und je mehr Beispiele
für große Staatsoberhäupter und dergleichen sie zu Gesicht bekam, desto weniger dachte sie an ihren Vater.
Sie hatte begriffen, dass er nur ein weiterer starker Mann war, in einer jener Gesellschaften, deren Entwicklungsstadium es leichter machte, ein starker Mann zu sein als jemand, der über wahre Tapferkeit verfügte. Gewalt, Zorn, Entscheidungskraft, die Bereitschaft zu Zerstörung … Wie sehr ihr Vater solche Begriffe und Ideen geliebt hatte, und wie geistlos sie wirkten, wenn man sah, wie sie sich im Lauf von Jahrhunderten und Jahrtausenden bei Tausend anderen Völkern wiederholten.
Auf diese Weise funktioniert Macht, auf diese Weise setzen sich Gewalt und Autorität durch. Hiermit werden die Leute dazu gebracht,
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