Die Sphaeren
sich auf eine Art zu verhalten, die nicht ihren besten Interessen entspricht. Hiermit bringt man sie dazu, an etwas zu glauben. So kommt die ungleiche Verteilung des Mangels ins Spiel, in diesem Moment, auf diese Weise, hier …
Es waren Lektionen, mit denen alle in der Kultur Geborenen aufwuchsen. Man hielt sie für natürlich und so offensichtlich wie die Entwicklung eines Hauptreihensterns, oder wie die Evolution selbst. Jemand, der wie Anaplian von außerhalb kam, im Gepäck die Annahmen und Anschauungen einer Gesellschaft, die nicht nur anders beschaffen, sondern auch ganz klar unterlegen war, musste sich solchen Erkenntnissen innerhalb wesentlich kürzerer Zeit stellen, und sie liefen auf einen Schock hinaus.
Nicht nur ihr Vater, sondern vielleicht auch Ferbin. Damit hatte Anaplian nicht gerechnet. Vor ihrer Abreise hatten sie darüber gescherzt, dass er vielleicht vor seinem Vater starb, bei einer Glücksspiel-Messerstecherei oder durch die Hände
eines Ehemanns, dem er Hörner aufgesetzt hatte. Doch solche Dinge sagte man in einer abergläubischen Tradition, die versuchte, Einfluss auf das Schicksal zu nehmen und derartige Dinge zu verhindern.
Armer Ferbin, der nie König hatte sein wollen.
»Brauchen Sie Zeit für Trauer?«, fragte Batra.
»Nein«, erwiderte Anaplian und schüttelte energisch den Kopf.
»Sind Sie sicher?«
»Ja«, bestätigte sie. »Mein Vater … Starb er im Kampf?«
»Offenbar. Allerdings nicht auf dem Schlachtfeld. Aber er erlag den erlittenen Wunden, bevor er angemessene medizinische Hilfe erhalten konnte.«
»Ihm wäre es lieber gewesen, auf dem Schlachtfeld zu sterben«, sagte Anaplian. »Bestimmt hat er es gehasst, sich mit dem Zweitbesten begnügen zu müssen.« Sie stellte fest, dass sie ein wenig weinte und gleichzeitig lächelte. »Wann geschah es?«, fragte sie.
»Vor elf Tagen.« Batra machte ein raschelndes Geräusch. »Selbst so wichtige Nachrichten erreichen uns aus einer Schalenwelt nur langsam.«
»Ja«, murmelte Anaplian nachdenklich. »Und Ferbin?«
»Vermisst, auf dem gleichen Schlachtfeld.«
Anaplian wusste, was das bedeutete. Die große Mehrheit jener, die bei Schlachten als vermisst galten, erschienen nie wieder oder wurden tot aufgefunden. Und was hatte Ferbin überhaupt in der Nähe eines Schlachtfelds gemacht? »Wissen Sie, wo?«, fragte sie. »In welcher weit abgelegenen Provinz geschah es?«
»In der Nähe des Xiliskischen Turms.«
Sie starrte Batra groß an. »Was?«
»In der Nähe des Xiliskischen Turms«, wiederholte er. »In Sichtweite von Pourl – das ist die Hauptstadt, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Anaplian. Ihr Mund war plötzlich trocken. Lieber Himmel, es war alles auseinandergebrochen und zerfallen. Sie fühlte einen Kummer, den sie kaum verstand.
»Dies war also eine Art … Entschuldigen Sie.« Anaplian räusperte sich. »Es war also eine Art letzter Widerstand?«
Und warum hatte sie nichts davon gehört? Warum war sie nicht davon unterrichtet worden, dass die Dinge ein so verzweifeltes Stadium erreicht hatten? Vielleicht wegen der Befürchtung, dass sie zurückkehren und versuchen könnte, mit ihren neu erworbenen Fähigkeiten einzugreifen? Dass sie sich Hals über Kopf in das Durcheinander stürzte? War es möglich, dass man sie für so dumm hielt?
»Ich habe zwar Informationen erhalten, Djan Seriy«, sagte Batra, »aber ich kann nicht behaupten, unmittelbaren Zugang zu einer Expertendatenbank zu haben. Soweit ich weiß, handelt es sich um das Ergebnis von etwas, das ein Überraschungsangriff der Deldeyn sein sollte.«
»Was? Von wo?«, fragte Anaplian und versuchte nicht, ihre Beunruhigung zu verbergen.
»Vom Xiliskischen Turm.«
»Aber es gibt doch keinen Weg aus …«, begann sie, hob dann die eine Hand vor den Mund, runzelte die Stirn und blickte zu Boden. »Offenbar hat man ein neues Portal installiert«, sagte sie mehr zu sich selbst und sah wieder auf. »Der Xiliskische Turm wird von den Aultridia kontrolliert, nicht wahr?«
»Ich möchte Ihnen zuerst versichern, dass Pourl und das
Volk Ihres Vaters nicht in Gefahr sind. Die drohende Katastrophe betrifft die Deldeyn.«
Die Falten fraßen sich tiefer in Anaplians Stirn, noch während sich ihr Körper zu entspannen begann. »Wieso?«
»Ihr Vater hatte praktisch seine Vereinigungskriege beendet, wie er sie nannte.«
»Tatsächlich?« Erleichterung durchströmte Anaplian, und sie spürte ein absurdes Verlangen zu lachen. »Er hat nicht auf der faulen Haut
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