Die Sphaeren
verabscheuende und erniedrigende Gesellschaft es wollten. Sie akzeptierte eine Verpflichtung, die vielleicht für den Rest ihres Lebens gelten würde, aber es war auch eine, die sie fortbrachte von der Achten, fort von den Sarl und den Einschränkungen, die sie schon während ihrer Kindheit mit wachsendem Unbehagen erkannt hatte. Auch in der Fremde musste sie Dienste leisten, aber an weit entfernten, exotischen Orten, für eine größere Sache. Es waren Dienste, bei denen sie etwas tun konnte und sich nicht damit begnügen musste, einem Mann zu gefallen und eine Schar kleiner Adliger zur Welt zu bringen.
Anaplians Vater hatte die Repräsentanten der Kultur für weibische Narren gehalten, weil sie mehr an ihr interessiert gewesen waren als an ihren Brüdern, als er darauf bestanden
hatte, eins seiner Kinder zu ihnen zu schicken. Selbst sein Respekt Xide Hyrlis gegenüber war geringer geworden, als auch der vorgeschlagen hatte, dass sich die kleine Djan auf den Weg machen sollte, und abgesehen vielleicht von tyl Loesp kannte Anaplian niemanden, von dem ihr Vater so viel gehalten hatte wie von Hyrlis.
Ihr Vater hatte kaum vorgegeben, traurig zu sein, von seiner lästigen, unzufriedenen und ungeliebten Tochter Abschied nehmen zu müssen – immerhin blieben ihm dafür seine kostbaren Söhne. Vorausgesetzt, sie wollte gehen; die Repräsentanten der Kultur wiesen deutlich darauf hin, dass sie sie auf keinen Fall zwingen wollten, in ihre Dienste zu treten. Aber natürlich war ihr von dem Augenblick an, als man ihr die Frage stellte, gar keine andere Wahl mehr geblieben. Ihr Vater war davon überzeugt gewesen, dass man ihm ein ausgezeichnetes Geschäft vorgeschlagen hatte, und deshalb hatte er sie zum Aufbruch gedrängt, bevor die Gesandten der Kultur zur Vernunft kamen, wie er meinte. Für Anaplian hatte es keine Rolle gespielt; sie wäre in jedem Fall bereit gewesen, diese Chance zu nutzen.
Ihrem Vater und dem Rest des Hofes gegenüber hatte sie den Anschein erweckt, nur ungern zur Kultur aufzubrechen, so wie man von einer Braut erwartete, dass sie zögerte, bevor sie zu ihrem neuen Zuhause und dem Ehemann ging. Sie hatte darauf vertraut, dass die Leute von der Kultur ihr Verhalten für den Versuch hielten, den Schein zu wahren und lokalen Geboten der Höflichkeit zu genügen. Das hatten sie tatsächlich, und als die Zeit kam, war sie ihnen pflichtbewusst gefolgt. Nicht ein einziges Mal hatte sie es bereut.
Es war oft vorgekommen, dass sie ihre Heimat vermisste,
auch ihre Brüder und selbst den Vater. An vielen Abenden hatte sie sich in den Schlaf geweint, aber nicht ein einziges Mal, nicht einmal für eine Sekunde, hatte sie geglaubt, die falsche Entscheidung getroffen zu haben.
Ihre Pflicht lag also hier. Ihr Vater hatte es gesagt. Die Kultur – die Besonderen Umstände, nichts Geringeres – ging davon aus und verließ sich darauf, dass sie auf ihrem Posten blieb. Niemand in der Achten würde mit ihrer Rückkehr rechnen. Und wenn sie doch zurückkehrte, konnte sie ohnehin kaum etwas Nützliches tun.
Doch was war Pflicht eigentlich?
Anaplian fühlte es in ihren Knochen: Sie musste aufbrechen.
Sie schwieg erst seit wenigen Momenten und entschied sich zu etwas, das sie immer nur mit großem Widerstreben tat: Sie klickte sich in ihre neurale Borte und stellte dadurch eine Verbindung mit der gewaltigen Meta-Existenz her, das die BU-Version des Datenversums der Kultur war.
Von einem Augenblick zum anderen öffnete sich vor ihr eine lärmende, phantasmagorische Landschaft. Der Moment schien einzufrieren, und in dem erstarrten Durcheinander, das alle Sinne betraf, auch die erweiterten und verstärkten, wartete Input auf Anaplian. Das kaum fassbare Chaos sensorischer Überladung präsentierte sich als eine Art Kugel und vermittelte den Eindruck, dass man alle Teile von ihr gleichzeitig sehen konnte, und in mehr Farben, als selbst ein verbessertes Auge wahrzunehmen imstande war. Die unmittelbare Oberfläche dieser Kugel war hauchdünn, schien sich aber mit Sinnen tief in Anaplian zu verbinden – die komplexe Simulation verband sich mit ihr, mit jedem Fragment ihres Seins.
Die Gedanken durchdrangen unendlich viele weitere Membranen, jede von ihnen mit eigenen sensorischen Schwingungen, wie eine Linse, deren Modifikation verschiedene Tiefen in ihrem Erfassungsbereich in den Fokus rückte.
Dieses Wahrnehmungschaos gab einem Menschen – und auch anderen Geschöpfen – einen Hinweis darauf, wie es war, ein Gehirn zu
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