Die Sphaeren
sein. Nur Höflichkeit hinderte die meisten Gehirne an dem Hinweis, dass diese Darstellungen enorm vereinfacht waren, auf das Wesentliche reduziert und viel, viel simpler als das kolossale Datenmeer, in dem sie jeden Tag ihrer Existenz verbrachten.
Selbst ohne einen bewussten Gedanken erhielt sie eine schematische Darstellung dieses Teils der Galaxis. Die Sterne wurden übertrieben deutlich in ihren Farben gezeigt und die Planetensysteme durch Balkenanzeigen signalisiert. Melodische Tongruppen gaben Aufschluss über den Zivilisationsstatus – auf den Einfluss der Kultur wiesen Akkordsequenzen aus mathematisch reinen Ganztönen hin. Ein Overlay informierte über die Flugpläne aller relevanten Raumschiffe, und Anaplian sah eine Routenauswahl, farblich markiert nach Geschwindigkeit. Die Strangdicke stand für Schiffsgröße, die Farbintensität für die Wahrscheinlichkeit der Einhaltung des Flugplans. Gerüche wiesen auf das Angebot an Komfort hin. Muster in den Strängen – sie wirkten geflochten wie Kordeln – zeigten, wem die Schiffe gehörten.
Anaplian sah vor allem Kreise und Ellipsen. Einige komplizierter gestaltete Formen erschienen dort, wo Raumschiffe während der nächsten Zeit – Dutzende oder Hunderte von Standardtagen – auf exzentrischeren Kursen fliegen würden.
Wie von ganz allein erschien eine weitere Linie im Overlay, fast ganz gerade, und teilte Anaplian mit, wie schnell die nächste zur Verfügung stehende Einheit der Kultur-Flotte aus Sehr Schnellen Vorposten sie zum Ziel bringen könnte. Die reine Flugzeit betrug etwas mehr als zwölf Tage, aber das Schiff würde fast ebenso lange brauchen, nach Prasadal zu kommen und sie abzuholen. Andere Schiffe hätten die Reise in noch kürzerer Zeit geschafft, aber sie waren zu weit entfernt. Die Projektion zeichnete sich durch ein gewisses Maß an Unschärfe aus, denn sie betraf nur Kultur-Schiffe, die über ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort Auskunft gaben. Es war durchaus möglich, dass ein anderes Schiff der Schnellen Aktivflotte seine derzeitige Position nicht sendete, ein ganzes Stück näher war und positiv auf eine gesendete Anfrage reagieren würde.
Aber das kam nicht infrage – darauf hatte Batra hingewiesen. Anaplian ließ das Overlay verschwinden. Sie musste die andere, längere Route nehmen und sich wie ein Staffelstab von einem Schiff zum anderen weiterreichen lassen. Es sah kompliziert aus.
In ihrer neuralen Borte hatte bereits viel schlaue Datenverarbeitung stattgefunden, um vorherzusagen, was Anaplian sehen wollte, bevor sie es selbst wusste, und so herrlich bequem und technisch beeindruckend es auch sein mochte: Es war genau dieser Aspekt der Bortennutzung, die Anaplian beunruhigte und sie veranlasste, ihre Verwendung auf ein Minimum zu beschränken. Sie brauchte die Menge an Informationen nicht einmal durch Verknüpfungen zu konkretisieren – in dem Durcheinander aus Linien gab es nur eine offensichtliche Route von Prasadal nach Sursamen, und es
würde tatsächlich mindestens hundertneunundzwanzig und mehr Tage dauern, bis sie ihr Ziel erreichte. Vorausgesetzt bei den Morthanveld lief alles so glatt wie angenommen. Viel schien davon abzuhängen, ob das Morthanveld-Großschiff Inspirell, Koaleszenz, Resonanz beschloss, auf dem Weg von einem Kugel-Cluster zum anderen die Nestwelt Syaung-un anzufliegen.
Anaplian wollte sich ausklicken, als die vage Frage, was ein Großschiff der Morthanveld und eine Nestwelt sein mochten, eine ganze Hierarchie aus zunehmend komplexer werdenden Erklärungen schuf – die Borte beeilte sich, alle relevanten Informationen abzurufen und ihr mit dem verzweifelten Enthusiasmus eines Kindes zu präsentieren, das aufgefordert wurde, vor der versammelten Verwandtschaft ein Gedicht aufzusagen. Anaplian schlug eine Art innere Tür zu und klickte sich rasch aus, empfand dabei die übliche Mischung aus Erleichterung und Schuld. Die letzten Reste der Bortenpräsenz gaben ihr zu verstehen, dass ihr Herz noch immer den Schlag beenden musste, der beim Einklicken begonnen hatte.
Es kam einem Erwachen gleich, allerdings aus einer Traumwelt, in der alles detaillierter, lebendiger, prächtiger und sogar plausibler war als in der Realität. Auch deshalb benutzte Anaplian die Borte nur sehr ungern. Sie fragte sich kurz, wie Jerle Batras Normalität im Vergleich mit ihrer beschaffen sein mochte.
»Es tut mir leid«, wandte sie sich an ihn. »Ich glaube, ich muss los.«
»Das glauben Sie, Djan Seriy?«, erwiderte
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