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Die Sphaeren

Die Sphaeren

Titel: Die Sphaeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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Seine farblose Säule verschwand im Blau des Meeres und war dort von Weiß umgeben, wo er das Wasser traf.
     
    Dann war es dunkel, und nur ferne Blitze erhellten das Meer und die hohen Wolken. Mit stummem Flackern geleiteten sie ihn zurück in den Schlaf.
    Dies musste der Himmel sein, dachte er. Oder zumindest eine Art Belohnung.
    Selbst bei den Priestern gab es unterschiedliche Vorstellungen darüber, was nach dem Tod mit einem geschah. Primitive konnten sich unkomplizierte Religionen zulegen, weil sie es nicht besser wussten. Wenn man auch nur ein wenig von der realen Situation im Universum dort draußen kannte, wurde alles komplexer: Es gab reichlich fremde Wesen, und sie alle hatten ihre eigenen Mythen und Religionen – zumindest hatten sie sie irgendwann einmal gehabt. Manche Aliens waren unsterblich. Andere hatten ihr Leben nach dem Tod vorbereitet und gut organisiert, ein Jenseits, das die Verstorbenen – aufgezeichnet und transkribiert – nach ihrem Ableben aufnahm. Es gab solche, die Denkmaschinen mit eigener, fast göttlicher Macht geschaffen hatten; und solche, die selbst wie Götter waren, wie zum Beispiel der WeltGott. Wieder andere hatten sich für die Sublimation entschieden, was wohl einer Art Aufstieg zur Göttlichkeit gleichkam.
    In Hinsicht auf die Religion hatte Ferbins Vater den gleichen überaus pragmatischen Standpunkt bezogen wie zu allem anderen. Seiner Meinung nach brauchten nur die sehr
Armen und sehr Geknechteten wirklich eine Religion – damit ihre elendes Leben etwas erträglicher wurde. Die Menschen fühlten sich gern wichtig; sie wünschten sich zu hören, dass sie als Individuen eine Rolle spielten und nicht nur Teil einer anonymen Masse oder eines historischen Vorgangs waren. Sie brauchten das Versprechen, dass dieses Leben zwar hart, bitter und undankbar sein mochte, nach dem Tod aber Belohnung in Aussicht stand. Zum Glück für die Regierenden hinderte gut ausgeprägte Gläubigkeit die Leute daran, einen gerechten Ausgleich bereits im Diesseits zu suchen, durch Aufstände oder Revolution.
    Ein Tempel war ein Dutzend Kasernen wert. Ein bewaffneter Soldat konnte eine kleine, unbewaffnete Menge nur so lange kontrollieren, wie er präsent war. Ein einzelner Priester hingegen konnte jedem einzelnen Mitglied seiner Gemeinde einen Polizisten in den Kopf setzen, für immer.
    Die Bessergestellten und solche, die über wahre Macht verfügten, richteten ihren Glauben je nach ihren persönlichen Neigungen aus. Doch ihr vergleichsweise angenehmes Leben stellte bereits einen Lohn an sich dar, und für die Höchsten im Lande bestand die Belohnung nach dem Ableben aus einem Platz in der Geschichte.
    Ferbin hatte sich eigentlich nie Gedanken über das Jenseits gemacht. Sein jetziger Aufenthaltsort erschien ihm wie der Himmel oder etwas in der Art, aber er war nicht sicher. Ein Teil von ihm bedauerte, dass er den Priestern nicht mehr Beachtung geschenkt hatte, als sie bestrebt gewesen waren, ihm diese Dinge zu erklären. Aber vielleicht war es ganz gut so, dass er sich die Mühe gespart hatte, denn immerhin schien er das Leben nach dem Tod auch so erreicht zu haben.

    Choubris Holse blickte auf ihn herab.
    Choubris Holse. So lautete der Name des Gesichts, das er zuvor gesehen hatte. Ferbin betrachtete es und fragte sich, was Holse im Reich der Toten machte, noch dazu in dieser seltsamen, zu weiten Kleidung. Allerdings hatte er noch seinen Gürtel und das Messer. Sollte Holse hier sein? Vielleicht war er nur zu Besuch.
    Ferbin bewegte sich und fühlte etwas an der Stelle, wo zuvor kein Gefühl gewesen war, rechts oben im Rücken. Er drehte sich, so gut es ging.
    Er befand sich in einer Art Ballongondel, lag bäuchlings auf einem großen, träge wogenden Bett; unter der dünnen Decke war er nackt. Choubris Holse saß neben ihm und knabberte an etwas, das nach einem sehnigen Stück Fleisch aussah. Von einem Augenblick zum anderen war Ferbin überaus hungrig. Holse rülpste und entschuldigte sich, und Ferbin stellte sich mit seltsam gemischten Gefühlen der Erkenntnis, dass dies nicht das Jenseits war und er noch lebte.
    »Guten Tag, Sir«, sagte Holse. Seine Stimme klang seltsam. Mit der Verzweiflung eines Ertrinkenden, der sich an einem Treibholzstück festhielt, klammerte sich Ferbin an die Hoffnung, dass er vielleicht doch die Sicherheit des Todes erreicht hatte. Dann ließ er los.
    Er versuchte, den Mund zu bewegen. Die Kiefer knackten, und der Gaumen war trocken. Ein Geräusch wie das

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