Die Spiele des Herrn (Johann Von Der Morgenpforte) (German Edition)
aufnehmen!“
So kam es, dass Johannes als Sohn einer gesamten Burg von allen ein wenig erzogen wurde, von allen ein wenig mitbekam, auch wenn seine Amme für ihn zum Mutterersatz wurde. Wulfhild war eine stämmige und gutherzige Magd, die immer ein freundliches Wort für den kleinen Johannes fand. Von ihr kam auch die liebkosende Verstümmelung seines Namens. Sie fand, Johann klang einfach melodischer als Johannes. Anders als andere Kinder lernte Johann allerdings auch schnell, dass er nach allem, was er zum Leben und sogar zum Überleben brauchte, fragen musste. Und so kam es, dass Johann einen mit Worten sehr geschickten und in Gesten sehr charmanten Umgang mit seinen Mitmenschen entwickelte. Diese Eloquenz war es dann auch, warum ihn schließlich Pater Bernward, der Hofgeistliche der Raffenburg zur Seite nahm und ihm nach und nach das Lesen der Buchstaben und der Worte beibrachte. Johann war ein guter Schüler. Schnell verstand er, dass nur das von Bernward vermittelte Wissen ihn vor einem Leben als Tagelöhner bewahren konnte. Johann musste schon als Kind hart für sein tägliches Brot arbeiten. Er half Wulfhild an den Waschtagen, die schwere, feuchte Wäsche vom Fluss wieder auf die Anhöhe zur Burg zu tragen. Er half dem Schmied und fachte mit dem Blasebalg die Glut der Esse an. Er ging dem Stallmeister zur Hand, wenn der Mist aus den Ställen entfernt werden musste. Alles war gleichermaßen schweißtreibend! Als Bernward Johann schließlich alle Buchstaben beigebracht hatte, begann er, ihn die Sprache der Kirche zu lehren. Jeden Tag lernte Johann einen Psalm und seine Übersetzung in seine eigene Sprache. Nach und nach konnte Johann aus den Psalmen eigene Satzkombinationen bilden, bis ihn schließlich Bernward auch die Konjugationen und Deklinationen lehrte.
So vergingen Jahre und Johann war inzwischen dreizehn Jahre alt, als Robert, der Herold des Grafen auf einer Botenreise war und Bernward zur abendlichen Gesellschaft gebeten wurde, die Gesellschaft mit Gedichten und Vorlesungen zu unterhalten. Bernward jedoch sendete den jungen Johann und Lambert staunte nicht schlecht, als er erfuhr, dass Johann nicht nur des Lesens und Schreibens, sondern auch der Kirchensprache mächtig war. Johann bekam seine Chance an diesem Abend und nutzte sie. Auch wenn es ihm am späten Abend die Schamesröte ins Gesicht trieb, als die Texte, die er den teilweise Tränen lachenden Gästen zum Besten gab, immer derber und zotiger wurden.
Im darauf folgenden Jahr starb Bernward überraschend am Fieber und Johann, das Findelkind von der Morgenpforte, wurde der Schreiber des Grafen und neben Robert der zweite Bote und Herold. Für Johann wurde ein Lebenstraum wahr. Für den Grafen war er viel unterwegs, denn der Austausch des Grafen mit seinen adeligen Landesnachbarn geschah in der Regel nur über das geschriebene Wort. Liebevoll spöttelnd sagten bald die Burgbewohner ´Johannes, der Läufer´ zu ihm in Anlehnung an seinen biblischen Namensvetter. Johann lernte Land und Leute kennen, ohne zu wissen, dass eine seiner Reisen ihm beinahe zum Verhängnis werden würde. Seine letzte Botenreise sollte ihn direkt nach Kurköln zum Bischof führen. Die Kriegswirren des Limburger Erbfolgestreits zwischen den Märkern und Bergern auf der einen und dem Erzbischof auf der anderen Seite, waren auch an der Raffenburg nicht spurlos vorübergegangen. Wie auch die Isenburg, lag diese Festung umgeben von Feinden außerhalb der direkten Reichweite der mächtigen Kölner Hand. Die Festung war seit je her im Besitz des Kölner Bistums und lag der Limburg auf der nächsten Anhöhe, praktisch einen Steinwurf entfernt gegenüber. Diese Limburg war von dem gleichen Erbauer, Dietrich von Isenberg, der auch die neue Isenburg, auf der sich Johann gerade befand, gebaut hatte, aus dem gleichen Grund errichtet worden: Seinen Anspruch auf das Erbe des geächteten Vaters zu unterstreichen. Und so waren sich die beiden Burgherren gegenseitig ein Dorn im Auge.
So kam es, dass im Frühjahr des Jahres eine Belagerung der Burg begann. Und obwohl der Belagerungsring von Männern und Kriegsmaschinen um die Festung sehr eng gezogen war, gelang Johann der waghalsige Abstieg über die Felsen im Osten der Wehranlage.
Hole uns die Hilfe, die wir brauchen! Übermittele unseren Hilferuf dem Bischof persönlich. Wenn nicht die rettende Hand kommt, werden wir die Burg aufgeben müssen, noch ehe das Frühjahr vorbei ist.
Johann konnte sich gut an die Worte Lamberts erinnern.
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