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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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gescheiterte Personenüberführung zu riskieren? Was, wenn sich Tina und Stephanie Weaver wehrten? Selbst wenn Jewgeni es ihnen erklärte, stellte sich die Frage, wie sehr sie Milos Vater vertrauten. Wie sehr vertraute ihm Milo?
    Um 13.00 Uhr New Yorker Zeit berichtete Gilen, dass sie sich auf das Vorgehen beim Eindringen in die Wohnung der Weavers am Garfield Place und beim anschließenden Rückzug geeinigt hatten. Auch die Transportmethode stand fest: zuerst der Kofferraum eines Chevrolet Malibu, dann der Laderaum eines Wäschereilieferwagens. Jewgeni wollte, dass die Weavers in ein Haus im südlichen Connecticut gebracht wurden. Er hatte vor, die nächste Etappe ihrer Flucht selbst zu organisieren, und weigerte sich, Gilen Einzelheiten zu nennen. Erika wies ihren Agenten an, diese Entscheidung hinzunehmen.
    Allerdings rief sie Jewgeni an, nachdem sie Gilens Zusammenfassung gehört hatte. Warum, so fragte sie den alten Russen, mussten die Weavers unbedingt unter Gewaltanwendung entführt werden?
    »Weil es darauf ankommt, dass alles extrem schnell über die Bühne geht.«
    »Dann gehen Sie rauf und sagen Sie ihnen, sie sollen Schuhe anziehen und Ihnen nach draußen folgen. So viel Einfluss haben Sie doch wohl auf sie.«
    »Sie sind nicht allein. Sie werden beobachtet.«
    »Von wem?«
    Jewgeni zögerte. »Von den Chinesen.«
    Es passierte nicht oft in ihrer Arbeit, dass sich Situationen parallel zueinander anordneten und dann allmählich annäherten, doch wenn es so war, empfand sie ein fast rauschhaftes ästhetisches Vergnügen, das sie daran erinnerte, weshalb sie diesem ansonsten nicht unbedingt erfüllenden Beruf ihr Leben gewidmet hatte. Sie war sich nicht ganz sicher, ob auch Patriotismus eine Rolle spielte, auf jeden Fall verblasste er im Vergleich zu der Freude daran zu erleben, wie sich Puzzleteilchen zu einem Ganzen zusammenfügten. Rasch kombinierte sie. »Alan Drummond war hinter Xin Zhu her, und jetzt ist Xin Zhu hinter Milo her. Wollen Sie mir noch immer weismachen, dass Milo völlig unbeteiligt ist?«
    »Ich weiß nicht, was für eine Rolle er spielt, Erika. Wirklich. Aber er braucht meine Hilfe. Das bin ich ihm schuldig.«
    »Wofür sind Sie ihm was schuldig?«
    »Für meine Schwächen als Vater.« Sein Ton war ziemlich glaubwürdig.
    »Geht es hier wirklich nur um Vergeltung, Jewgeni? Alan Drummond, der sich für den Verlust seiner Abteilung rächen will? Er zieht Milo in die Sache rein, und dann bleibt Xin Zhu nichts anderes übrig, als sich zu schützen … Und wie macht er das? Durch die Bedrohung von Milos Familie?«
    Wieder blieb er stumm. Seine Art, Ja zu sagen. Oder wahrscheinlich.
    »Ich würde genauso handeln wie Xin Zhu«, fügte sie hinzu. »Und Sie auch.«
    Nun drückte sich in seinem Schweigen keine Zustimmung mehr aus, sondern Hilflosigkeit. Sie zielte auf ein moralisches Argument, das letztlich bedeutungslos war. Jewgeni interessierte nicht, wer im Recht oder im Unrecht war. Hätte man ihm die Pistole auf die Brust gesetzt, wäre er wahrscheinlich außerstande gewesen, die Frage zu beantworten. Jewgenis Handeln war nur von Loyalität bestimmt, und dergleichen brachte den Beteiligten nur selten Vorteile.
    Ähnlich wie Xin Zhu, der auf Nachricht von seinen Agenten über die Liquidierung von dreiunddreißig Touristen gewartet hatte, blieb auch Erika Schwartz in ihrem Büro, lange nachdem alle anderen das Haus verlassen hatten. Voller Anspannung starrte sie auf das Telefon. Als es kurz nach Mitternacht endlich klingelte, hatte sie die allabendliche Flasche Riesling, einen bestellten Teller Gyros und zwei Snickers hinter sich. Zuerst redete Gilen mit ihr, dann Jewgeni.
    Ab drei Uhr Nachmittag hatten zwei von Gilens Agenten die Wohnung der Weavers beobachtet. Sie sahen, wie Tina Weaver gegen halb fünf mit Stephanie eintraf. Um zwölf nach fünf kam ein Lieferant mit zwei Tüten chinesischem Essen. Als er bei den Weavers läutete, näherte sich ein zweiter Mann, und beide betraten gleichzeitig das Haus. Der Lieferant war Asiate, wahrscheinlich Chinese; der Bewohner, der zusammen mit ihm den Eingang passierte, war ebenfalls Asiate, Herkunft unbekannt. Natürlich hatten solche nationalen Zuordnungen wenig zu sagen, vor allem in dieser Stadt.
    Nach weniger als fünf Minuten verließ der Lieferant das Haus. Erst um 17.48 Uhr stieg Jewgeni einen Block weiter aus Gilens Chevrolet und machte sich auf den Weg zu der Wohnung. Zu diesem Zeitpunkt hatten Jewgenis Leute Francisco und Jan bereits über

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