Die Spinne (German Edition)
gratulierte. Doch das hatte Zhang Guo auch gar nicht gemeint. Für ihn zählte vor allem der Sieg über einen politischen Gegner.
»Erwartest du auch bald Ergebnisse an der anderen Front? Bei den Amerikanern?«
»Zwei von ihnen schmoren seit gestern in einer Zelle. Ich wollte erst mit ihnen reden, nachdem das hier erledigt ist. Möchtest du an der Unterhaltung teilnehmen?«
Lachend schüttelte Zhang Guo den Kopf. »Das würde mein Magen nicht aushalten.«
Nachdem sie sich die Hand gereicht hatten, verließ Zhang Guo mit Feng Yi den Raum.
Sun Bingjun klemmte sich die Mappe unter den Arm und trat zu Zhu. Sie waren jetzt allein. »Wie geht es Ihnen?«, fragte der Alte.
»Wie es mir geht?«
»Sie müssen doch etwas fühlen.«
»Ich fühle mich nicht gut, falls Sie das meinen. Ich wusste schon immer, dass Wu Liang ein egoistischer Schwachkopf ist, aber solche wie ihn gibt es viele auf der Welt. Um ehrlich zu sein, bin ich immer noch erschüttert darüber, dass er tatsächlich für die Amerikaner gearbeitet hat.«
»Sie glauben es nicht?«
»Ich glaube den Beweisen. Die Beweise sind stichhaltig.«
»Ja, und Sie haben diesen Brief doch selbst entdeckt. Außer Sie haben ihn gefälscht. Haben Sie das getan?« Sun Bingjun sprach mit großem Ernst.
»Nein«, antwortet Zhu.
»Gut. Dann habe ich nicht dem Falschen vertraut.«
7
Er erwachte in einer weiß gestrichenen, feuchten Zelle, frierend und elend von den Nachwirkungen der Spritze.
Er hatte keine Ahnung, wie spät es war. Im Flugzeug war er eingeschlafen von den Vibrationen, die ein falsches Gefühl von Frieden in ihm erzeugten, und er war erst hier wieder aufgewacht, mit urinnasser Hose und schmerzenden Armen. Jemand hatte die Schnürsenkel aus seinen Schuhen entfernt.
Irgendwann öffnete sich quiekend ein Schlitz in der niedrigen Stahltür, und ein Tablett wurde hereingeschoben. Lauwarmer Tee. Geschmackloser Reis und Hühnerstücke. Er trank den Tee und aß den Reis, doch das versalzene Fleisch ließ er unberührt, weil er nicht wusste, wann und ob er wieder Tee bekam.
Er hatte nichts anderes zu tun, als nachzudenken, doch die einzige Sache, die zählte, war schon geklärt. Sie waren in Sicherheit. Damit war Alan Drummond allerdings noch nicht aus dem Schneider, denn er war es schließlich, der sie in Gefahr gebracht hatte. Wichtiger noch, Alans schlampiger Plan zur Entführung Tinas und Stephanies hatte zur Ermordung seines Vaters geführt. Nein, aus dem Schneider war Alan beileibe nicht.
Endlich ging die Tür auf, und er erblickte einen unglaublich dicken Mann, der dem Wachmann folgte.
»Sie sind wach«, sagte die inzwischen bekannte Stimme. »Wie geht es Ihrem Kopf?«
Milo schob sich nach hinten an die Wand und rappelte sich mühsam vom Boden hoch. Sein Kopf dröhnte wie eine Glocke. »Sie wirken sehr zufrieden mit sich.«
Xin Zhu grinste. »Tatsächlich? Vielleicht, aber das hat nichts mit Ihnen zu tun. Wichtigere Dinge haben sich zu meinen Gunsten entschieden.«
»Glückwunsch.«
Xin Zhu sprach kurz mit dem Posten, der nach draußen trat, aber die Tür offen ließ. Durch den Schlitz erkannte Milo grob behauenen Stein. Offenbar befand er sich in einem Keller. Der Wachmann kehrte mit zwei niedrigen Holzhockern zurück und stellte sie in die Zelle. Dann verließ er die Zelle und zog die Tür zu, ohne abzuschließen.
Ächzend ließ sich Xin Zhu auf einen Hocker nieder. Milo nahm den anderen, weil Aufsässigkeit in dieser Situation keinen Sinn hatte.
»Leticia Jones wird durchkommen«, erklärte der Chinese.
»Und Hector Garza?«
»Leider hat er das Feuergefecht im Treppenhaus nicht überlebt. Dem Mann im Zimmer von Sebastian Hall geht es wahrscheinlich gut.«
»Er ist entkommen?«
Eine gewölbte Augenbraue blieb die einzige Antwort.
Das war nicht der Mann, den Milo erwartet hatte. Zwar entsprach er der Beschreibung – übergewichtig, selbstsicher, gewandt im Gespräch –, doch irgendetwas fehlte. Wo war die moralische Empörung, die Xin Zhu in seinen Augen geprägt hatte? Der biblische Zorn, mit dem er Vergeltung geübt hatte für den Tod seines Sohnes? Der Mann, der ihn da so zufrieden musterte, sah aus wie viele andere Verwaltungskräfte, die er im Lauf seines Berufslebens kennengelernt hatte: gelassen und distanziert, als wäre das alles nur ein Spiel.
Milo war extrem enttäuscht. »Sie haben Fragen. Also stellen Sie sie.«
»Ich weiß nicht so recht.« Xin Zhu wiegte den Kopf. »Vor allem möchte ich ein paar Dinge sagen. Zum
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