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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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hätte gereicht –, aber Amerika war noch nicht bereit für Verhandlungen. Allerdings hatten wir inzwischen so viel über die Sache rausgefunden, dass wir deinem Senator eine Scheißangst einjagen konnten. Also hab ich ein paar Anrufe gemacht. Man glaubt gar nicht, wie viel man mit Bluffen erreichen kann.«
    »Leticia?«
    Sie zuckte die Achseln und schaute auf eine kleine Armbanduhr. »Mal sehen. Wir haben noch bis halb vier, bevor wir hier verschwinden.«
    »Wie spät ist es jetzt?«
    »Fünf vor zwei.«
    Milo wandte sich dem blasenartigen Fenster zu, doch draußen war nur Schwärze zu erkennen. »Auf der Fahrt hierher hat mich jemand nach Tom Grainger gefragt.«
    Sie neigte den Kopf. »Tom Grainger?«
    »Mein früherer Chef. Der Mann wollte wissen, ob ich Tom umgebracht habe. Ich habe ihm erklärt, dass ich es nicht war und dass sein Mörder inzwischen tot ist.«
    »Gute Antwort.« Sie verzichtete auf weitergehende Spekulationen über die Hintergründe.
    Am äußersten Ende der Rollbahn erschien plötzlich ein Licht, das allmählich wuchs, bis es zu zwei Scheinwerfern wurde. Es war wieder ein Militär-Pick-up. Als er stoppte, standen sie bereits in der offenen Luke.
    »Nicht rausgehen«, warnte Alexandra. »Das ist Teil der Vereinbarung – wir bleiben im Flugzeug. In den Wäldern ist ein Scharfschütze postiert, der aufpasst.«
    Zwei Soldaten sprangen von der Ladefläche. Sie halfen Leticia herunter und begleiteten sie zur Treppe. Sie trug noch immer ihr schwarzes Kleid und darüber einen schweren grünen Soldatenmantel, der ihre bandagierte Schulter verdeckte. Als sie sie losließen, wollte sie den Mantel abstreifen, doch einer der Soldaten schüttelte den Kopf und sagte mit einer leichten Verneigung etwas zu ihr. Leticia untermalte ihre Antwort mit einem charakteristischen Lächeln und küsste ihn auf die Wange, ehe sie sich der Treppe zuwandte.
    »Na, die lässt sich wirklich nicht unterkriegen«, meinte Alexandra.
    Nach drei Stunden landeten sie in Hongkong, wo sie Zimmer im Regal Airport Hotel bezogen, um dort auf ihren Flug um acht Uhr nach Tokio zu warten. Milo schlief sofort ein und wachte erst von Alexandras lautem Pochen an der Tür wieder auf. Sie gab ihm frische Kleidung, die eine Nummer zu groß war. Dann fragte sie, ob er wusste, wo Leticia steckte.
    »Ich hab geschlafen«, erwiderte er.
    »Auf jeden Fall ist sie nicht da.«
    »Vielleicht will sie sich am Gate mit uns treffen.«
    Doch auch dort war nichts von ihr zu sehen, und so flogen sie ohne sie los.
    In Tokio wartete Alexandra mit Milo auf seine Maschine nach Seattle mit Anschluss nach Denver. »Du solltest mitkommen«, meinte er.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich mach’s lieber wie Leticia Jones.« Nach kurzem Zögern: »Die warten bestimmt schon auf dich.«
    »Ich hab keine andere Wahl.«
    Lächelnd hakte sich Alexandra bei ihm unter. »Wenn mir Vater was beigebracht hat, dann das, dass wir immer eine Wahl haben.«

8
    Er konnte Milo Weavers Äußerung einfach nicht aus seinen Gedanken verscheuchen. Während er im Büro saß und sich bemühte, Freude über seine frisch errungene Sicherheit zu empfinden, auch als er nach Hause fuhr und die unendliche Aufzugfahrt in den dreißigsten Stock zurücklegte, ja selbst als er Sung Hui verkündete, sie in ein Restaurant ihrer Wahl auszuführen, nagte unentwegt die Befürchtung an ihm, dass es wahr war. Alan Drummond hatte tatsächlich vor, ihn oder, falls ihm das nicht gelang, Sung Hui zu töten. Das war der Lauf der Welt. Die Dinge verändern sich. Nichts bleibt, wie es ist. Was wir nicht verdienen, wird uns wieder genommen.
    Bei köstlichen Teigtaschen Dim Sum im Sampan redeten sie über die bevorstehende Hochzeit einer Freundin und den Wunsch des Bräutigams nach einer untraditionellen Feier. »Ihre Eltern werden vor Empörung platzen!«, rief sie lachend. Zhu schoss durch den Kopf, dass er so lachen können müsste, so vergnügt und unbeschwert, um vielleicht einen echten Anspruch auf sie zu erwerben. Er versuchte es, doch es misslang.
    Als sie um halb zwölf nach Hause kamen, bemerkte Zhu vor dem Haus einen Audi des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit. Im Foyer warteten zwei junge Männer mit Ausweisen des Ministeriums und forderten ihn auf mitzukommen. Ein verärgerter Ausdruck huschte über Sung Huis Gesicht, der unausgesprochene Vorwurf, dass er von dieser Störung gewusst hatte. Als er sie zum Aufzug begleitete, beteuerte er seine Ahnungslosigkeit und küsste sie noch einmal.
    Es waren

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