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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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niedergebrannt, Xin Zhu. Und dabei haben Sie gleich noch sich selbst abgefackelt.«
    »Ich möchte hoffen, dass meine langjährige Arbeit im Dienst der Partei ein gewisses Maß an Vertrauen rechtfertigt.«
    Sun Bingjun stellte seine Tasse hin. »Ich würde gern eine Frage an Wu Liang richten, wenn es erlaubt ist.«
    Wu Liang nickte.
    Der Alte lehnte sich vor. »Warum hören wir ausgerechnet jetzt von dieser Sache? Der Selbstmord von Bo Gaoli liegt fast vier Wochen zurück. Wenn Xin Zhu eine derartige Gefahr darstellt, warum durfte er dann einen Monat lang ungehindert seine Seuche verbreiten?«
    Zhang Guo lächelte in seine Faust. Feng Yi hob die Hand. »Ich finde, das ist eine gute Frage.«
    Wu Liang verlor nichts von seiner Gelassenheit. Erneut ließ er ein Seufzen hören. »Der Grund ist der, den Xin Zhu erwähnt hat: seine Dienste für die Partei und die Volksrepublik. Obwohl ich verärgert war – obwohl ich mit einem heimtückischen Angriff auf eine konkurrierende Organisation oder sogar mit einem Angriff auf mich persönlich rechnete –, wollte ich keine Disziplinarmaßnahmen einleiten, solange ich nicht beweisen konnte, dass Xin Zhus Anschuldigungen falsch sind. Das hat sich erst geändert, als wir von der Anwesenheit der besagten Agentin, dieser Leticia Jones, auf chinesischem Boden erfahren haben.«
    »Da kann ich nicht ganz folgen«, entgegnete Sun Bingjun geduldig.
    »Das lässt sich ganz leicht beantworten, Genosse. Dazu möchte ich Xin Zhu eine einfache Frage stellen, eine Frage, die sich erst jetzt ergeben hat.«
    Zhu schaute ihn an.
    Wu Liangs Gesicht war wie Stein, als er weitersprach. »Wenn die CIA eine Quelle im Ministerium für Öffentliche Sicherheit hat, warum sollte sie dann eigens jemanden schicken, um Erkundigungen über den Alltag Ihrer Frau einzuziehen?«
    Zhu wusste, dass das nicht das Ende der Frage war.
    »Warum sollte sie riskieren, einen eigenen Agenten zu schicken – was ein großes Risiko für sie darstellt, da sind wir uns wohl einig –, wenn einer von uns in ihren Diensten steht? Der Alltag Ihrer Frau unterliegt nicht der Geheimhaltung. Jeder im Ministerium könnte sich mit einem einzigen Anruf darüber informieren. Wenn die CIA , wie Sie behaupten, eine Quelle im Ministerium hat, dann wäre es nicht nur dumm, sondern auch völlig überflüssig, einen Agenten zu entsenden, der mitten in Peking neugierige Fragen stellt.«
    Zhu biss sich auf die Innenseite des Mundes, um ein Lächeln zu unterdrücken. Die Logik war bestechend, zumal er auch nicht auf ihren einzigen Fehler hinweisen konnte: Die Konsulatsangestellte Mary Caul, die Dongfan Beisan dazu überredet hatte, Fragen nach Sung Hui zu stellen, hatte das Land verlassen, ehe sie auf Antworten hoffen konnte. Auf die Antworten war es ihr gar nicht angekommen. Doch wenn er das erwähnt hätte, hätte er zugeben müssen, dass er nicht erst bei diesem Treffen von Leticia Jones’ Anwesenheit in China erfahren hatte. Daher sagte er nur: »Ich weiß es nicht, Genosse. Doch aufgrund der von mir vorgelegten Beweise bin ich auch weiterhin davon überzeugt, dass die Amerikaner einen Maulwurf im Ministerium haben.«
    »Ich kann mich nur wundern über so viel Halsstarrigkeit«, erwiderte Wu Liang. »Sie sind angetreten, das Ministerium zu verleumden, und jetzt, nachdem man Sie ertappt hat, tun Sie, als wäre nichts gewesen. Das ärgert mich, doch mehr noch enttäuscht es mich, dass jemand mit derartigen Verdiensten um die sozialistische Sache so tief sinken kann. Wenn Ju Jintao von den acht Tugenden und Schanden spricht, mahnt er uns, einig zu sein, einander zu helfen und nicht nach Gewinn auf Kosten anderer zu streben. Über dieses Gebot, fürchte ich, hat sich Xin Zhu mit der Gier und dem Ehrgeiz eines Börsenhändlers aus Hongkong hinweggesetzt, und wir sollten ernsthaft in Betracht ziehen, sämtliche Mitglieder des Ausschusses über seine Abberufung abstimmen zu lassen.«
    Zhu merkte, wie feucht seine Handflächen auf einmal waren. Dennoch konnte er nicht umhin, Wu Liangs Mundwerk zu bewundern. Um sich an die Bedeutungslosigkeit des Geschehens in diesem Raum zu erinnern, dachte er: Fünfzigtausend Tote. Was zähle ich da im Vergleich?

5
    Zwei Stunden späte r öffnete ihm Shen An-ling an einer Wohn straße nördlich des Haidian-Theaters die Tür, und er kletterte aus dem Wagen. Beide hatten während der Fahrt geschwiegen, da sein Assistent das Auto den Wachposten vor der Großen Halle anvertraut hatte und man nie wissen konnte, ob

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