Die Spinne (German Edition)
hochrangigen BND -Beamten Theodor Wertmüller entdeckt wurden.
Aber was, so fragte der Journalist, machte Sebastian Hall – ein mutmaßlicher Komplize Wertmüllers – in London? Was war mit ihm passiert? Und warum wahrte Scotland Yard in dieser Angelegenheit striktes Stillschweigen?
Neben dem Artikel war eine Polizeizeichnung von der Interpol-Website zu sehen, die Sebastian Hall zeigte. Ein Gesicht, das beim direkten Vergleich nahezu vollständig mit dem Milos übereinstimmte. Ohne direkten Vergleich war es allerdings einfach ein Dutzendgesicht.
»Dieser Scheißer«, knurrte Milo.
»Was für ein Scheißer?« Stephanie stand mit einer Dose Sprite und einem Strohhalm in der Küchentür.
»Ach, niemand, Schätzchen, und sag dieses Wort bitte nie wieder.«
Stephanie sog an dem Halm und fixierte ihn.
»Stimmt was nicht?«
Mit großen Augen zuckte sie die Achseln.
Er klappte das Notebook zu und kauerte sich zu ihr nieder. Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Was ist?«
»Nichts, ich …«
»Machst du dir wieder Sorgen um mich? Mir geht’s gut.«
»Was ist mit Pen los?«
Er überlegte kurz. »Nichts Wichtiges. Alles in Ordnung.«
»Aber sie lässt sich scheiden, oder?«
»Wer hat was von Scheidung gesagt?«
»Hab gehört, wie sie gestern Abend geredet hat.«
»Ich dachte, du hast geschlafen.«
Sie klemmte die Lippen um den Strohhalm, bis sie weiß wurden. »Ich kann nichts dafür«, sagte sie schließlich. »Sie redet so laut.«
»Komm her.« Er zog sie an sich. »Pen und Alan haben Probleme, stimmt, aber das heißt nicht, dass sie sich scheiden lassen. Manchmal streiten sich die Leute eben. Wie du und Sarah Lawton. Und jetzt seid ihr die besten Freundinnen.«
Sie grinste ihn an, dann senkte sie die Stimme. »Ich weiß nicht, Daddy. Sarah ist schon wieder so doof. Vielleicht lass ich mich von ihr scheiden.«
4
Kurz nach acht fand er Dennis Chaudhury an einem Fenstertisch im Bar & Grill an der Twelfth Street, einem einigermaßen schmuddeligen Lokal. »Wo haben Sie Ihren Freund gelassen?« Milo setzte sich.
Auf Chaudhurys Teller lagen die Überreste von einem Hamburger mit Pommes, und er tupfte sich die Mundwinkel mit einer Serviette ab. »Hatte schon was anderes vor. Wollen Sie was trinken?«
Milo blickte durch das Fenster auf die abendlich belebte Straße; er hatte keine Möglichkeit zu erkennen, ob inzwischen ein anderer Beschatter im Spiel war, und es hatte auch keinen Zweck, danach zu fragen. Er spürte den starken Wunsch nach einem Wodka Martini und fragte sich, ob das seinen Eingeweiden wirklich so sehr schaden würde. »Tonicwater.«
»Pur?«
Milo zuckte die Achseln.
Die richtige Unterhaltung begann erst, als der Kellner Chaudhurys Teller abgeräumt und das Tonicwater und ein Beck’s serviert hatte. Davor erkundigte sich Chaudhury nach dem Viertel. Er war noch nie in Park Slope gewesen und überrascht von dem vornehmen Flair. »Bestimmt ziemlich teuer, oder?«
»Ohne Ende.«
»Leben im Sandsteindschungel.«
Milo lächelte.
»Aber Sie kommen über die Runden.«
»Meine Frau verdient gut.«
»Glück muss man haben.«
Obwohl Milo dafür keinen echten Grund hatte, war ihm Chaudhury unsympathisch. Vielleicht lag es nur daran, dass er ihm schlechte Nachrichten überbracht hatte, Nachrichten, die er selbst nach dem Abendessen an Tina weitergegeben hatte und die er auch Penelope eröffnen musste, damit ihm dieser Kerl nicht zuvorkam. Oder es lag daran, dass er angesichts von Alans Wahnsinn überall um sich herum Omen wahrnahm. Er hatte das dumpfe Gefühl, dass ihn die Ereignisse schon bald aus seiner endlich erreichten sesshaften Existenz herausreißen würden.
Als sie ihre Drinks dann in der Hand hatten, lehnte sich Chaudhury vor. »Wir gehen davon aus, dass sein Trip nach London in Zusammenhang steht mit allem, was er im letzten Monat gemacht hat. Richtig?«
»Keine Ahnung. Was hat er denn im letzten Monat gemacht?«
Chaudhury lehnte sich wieder zurück und fixierte Milo. »Sie wollen also mauern?«
»Alan hat mir nichts erzählt.«
»Sie sind der einzige Freund in der Stadt, mit dem er sich regelmäßig getroffen hat.«
»Anscheinend hat er sich davor gehütet, Freunden sein Herz auszuschütten.«
Erneut musterte ihn Chaudhury. »Wir reden hier von einem unberechenbaren Mann, der versucht, sich an den Chinesen zu rächen. Können Sie mir wenigstens was über seine Gefühle erzählen?«
Milo ließ sich das Gehörte durch den Kopf gehen. »Wie kommt es, dass sich
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