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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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hinter diesem kurzen Wort steckte. »Nein, keine Leichen, die meinen Weg pflastern. Aber ich hatte mit einigen … Damen in der Bay Area zu tun. Dabei habe ich wohl einen bestimmten Eindruck hinterlassen. Ich wollte sie dazu bringen, dass sie militanter werden. Und eine von ihnen war bei der Company, wie sich später herausstellte.«
    Diese Antwort schrie förmlich nach weiteren Fragen, auf die er jedoch keine Lust hatte. »Du hast andere Talente. Du solltest das hinter dir lassen. Überleg dir einfach, was du wirklich machen möchtest.«
    Sie schien ernsthaft nachzudenken. »Und was, wenn ich nach ein paar Monaten merke, dass das das Einzige ist, was ich machen möchte?«
    »Dann solltest du dir dringend einen Psychiater suchen.«
    »Hat dir das geholfen?«
    Das war ein Seitenhieb auf seine und Tinas Paartherapie, und ihn wunderte, dass sie davon wusste. »Man kann sich damit die Zeit vertreiben.«
    »Und sich die Ehefrau vom Hals halten.«
    Wieder packte ihn der Drang, den Kopf an die Tischplatte zu knallen.
    Von Anfang an war ihm klar gewesen, dass er seinen Vater wegschaffen musste. Eine Leiche mitten im Wohnzimmer konnte nicht lange unentdeckt bleiben, zumal bei der herrschenden Hitzewelle. Wie ein Tourist hatte er sich von den Gesichtspunkten Zeit und Verwesung lenken lassen und nicht vom Gedanken an den Verwandtschaftsgrad.
    Zuerst hatte er den Toten durchsucht und war auf eine Brieftasche mit Kreditkarten, Vielfliegerkarten und mehreren Hundert Dollar und Euro gestoßen, die er einsteckte. Außerdem fand er einen Pass, zwei Telefone, Restaurantquittungen und einen kleinen Zettel, auf dem in Großbuchstaben getippt stand:
    SIE SIND IN SICHERHEIT
    Das war natürlich die Nachricht, die Jewgeni ihm hatte hinterlassen wollen, die Nachricht, die in seiner Tasche geblieben war.
    Es dauerte eine Weile, denn obwohl Jewgeni Primakow in den letzten Jahren abgenommen hatte und aus den beiden Einschusslöchern im Herzen und im rechten Lungenflügel Blut ausgetreten war, war er kräftig gebaut und hatte eine breite Brust. Er war schwer. Ächzend lud ihn sich Milo schließlich auf die Arme und schleppte ihn wie ein Bräutigam seine Braut ins Schlafzimmer. Die Federn protestierten unter dem plötzlichen Gewicht. Milo setzte sich einen Moment auf den Bettrand, dann, ohne es sich erklären zu können, legte er sich neben die Leiche seines Vaters. Er wollte sich sammeln und alles Ablenkende verscheuchen, das Panik auslösen konnte, denn diese Panik nützte nur Xin Zhu. Diese Panik brachte sein Denken ins Stolpern und unterbrach es alle vierzig Sekunden mit dem Bild von zwei weiteren Leichen auf dem Bett, bis in seinem Kopf nur noch weißes Rauschen herrschte.
    Und jetzt, als die Schweinefleisch-Enchiladas vor ihm standen, tauchte dieses Bild erneut auf, nur dass ihre verstümmelten und verdrehten Leichen nicht mehr im Bett lagen, sondern zwischen Ästen in einem Wald oder einem Park. Er schob den Teller weg.
    Leticia hatte ihre mit gebackenen Bohnen und Käse gefüllten Enchiladas bereits zur Hälfte verspeist. Sie runzelte die Stirn. »Schmeckt’s dir nicht?«
    »Ich hatte ein ausgiebiges Frühstück.« Er schenkte sich Margarita nach.
    Um halb vier brachen sie auf und nahmen die stark befahrene Route 1 zum Newark International Airport. Leticia stellte den Wagen in der Kurzparkzone von Terminal C ab und wischte mit einem T-Shirt über Sitze, Armaturenbrett und Steuer.
    Milo seufzte. »Jemandem wurde das Auto geklaut, bloß damit wir mexikanisch essen gehen können?«
    Sichtlich pikiert über seine Bemerkung, warf sie den Schlüssel neben das Gaspedal und stieg aus. Nachdem sie die Tür mit dem Ellbogen zugestoßen hatte, marschierte sie einfach los, ohne sich darum zu kümmern, ob er ihr folgte.
    Drinnen wurde sie deutlicher, was ihren trockenen Bestimmungsort anging. »Wir fliegen nach Saudi-Arabien.«
    »Okay«, erwiderte er. »Etwas genauer vielleicht?«
    »Dschidda. Bist du jetzt zufrieden? Wir haben eine Verabredung. Mehr musst du nicht wissen.«
    Sie stellten sich an, und erneut ergriff Leticia die Initiative und zeigte Pässe vor. Rosa Munu aus dem Sudan und John Nadler aus Kanada. Sie hatten bereits eine Reservierung für den Continental-Flug um 19.25 Uhr nach Frankfurt, der am nächsten Morgen um 9.15 Uhr landen sollte, und für den Lufthansa-Flug um 12.30 Uhr nach Dschidda. Milo spürte ein leises Prickeln der Erregung. Drei Stunden Aufenthalt in Frankfurt konnten sehr nützlich sein.
    In der Schlange vor der

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