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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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unter seinem Schutz standen. Er vermutete, dass sie in Xin Zhus Gewalt waren, wofür er allerdings nur das Wort des Chinesen hatte – objektive Beweise waren ihm nicht vorgelegt worden. Andererseits konnte er es sich nicht leisten, davon auszugehen, dass es nicht stimmte, denn wenn er sich irrte, drohte eine Katastrophe.
    Zu den Dingen, die sich Milos Kenntnis entzogen, gehörte die Antwort auf die Frage, wie weit Xin Zhu gehen würde, um Milo unter Kontrolle zu behalten. Natürlich konnte es nicht in seinem Interesse sein, Tina und Stephanie zu töten und Milo davon wissen zu lassen, denn in diesem Fall würde er jede Macht über Milo verlieren. Allerdings war der Tod nicht die einzige Bedrohung. Xin Zhu konnte ihnen ohne Weiteres Schmerzen zufügen oder sie sogar verstümmeln und Milo darüber informieren. In diesem Fall würde Milo nichts anderes übrig bleiben, als sich noch mehr für Zhu ins Zeug zu legen.
    Unter dieser Voraussetzung kam im Hinblick auf seine Familie nur eine Vorgehensweise infrage: Er musste mitspielen, und wenn sich die Gelegenheit bot, Xin Zhu zu schwächen, musste das auf eine Weise geschehen, dass er nie davon erfuhr.
    Dass er diesen Punkt damit als Allererstes geklärt hatte, war wichtig, weil ihn die Angst um seine Familie völlig blockiert hatte. Er konnte an nichts anderes denken. Selbst danach brauchte er eine Weile und musste noch ein Sandwich essen, ehe er weiterüberlegen konnte.
    Schließlich wandte er sich an Leticia. »Sucht jemand nach Alan?«
    »Die ganze Welt sucht nach Alan«, antwortete sie ohne Zögern.
    »Fliegen wir deshalb nach Dschidda?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Wir haben Wichtigeres zu tun, als nach diesem Überläufer Ausschau zu halten.«
    »Warum bezeichnest du ihn so?«
    Seufzend beugte sich Leticia näher und senkte die Stimme. »Milo, Alan Drummond ist eine Bedrohung, seit er aus dem Hotel in London abgehauen ist. Das weiß er ganz genau. Und es ist ihm egal. Wir haben alle Antennen ausgefahren, um ihn aufzuspüren. Der MI5 hat seine gesamten Daten. In den Botschaften sind sie auf der Hut. Doch bis jetzt keine Spur. Wie sich rausstellt, hat er echt was drauf. Hast du gewusst, dass er in Afghanistan mit der Medal of Honor ausgezeichnet wurde?«
    »Nein, das ist mir neu.«
    »Der ist nicht bloß ein Verwaltungsspezialist«, fügte sie nach einer Weile hinzu. »Und er ist kein Trottel. Seine Spionagefähigkeiten genügen, um sich allen Nachforschungen zu entziehen.«
    »Aber was will er damit erreichen?«
    Sie zuckte die Achseln. »Ich weiß bloß, dass seine Operation im Gegensatz zu meiner steht, und das ist ein Problem.«
    »Und was passiert, wenn er gefunden wird?«
    »Das hängt ganz von ihm ab, denke ich.«
    »Willst du ihn umbringen?«
    »Du bist ein richtig sensibler Mensch, oder?« Sie lächelte. »Nein, ich will ihn nicht umbringen. Auch wenn ich den Befehl dazu bekomme, möchte ich vorher überzeugende Beweise sehen. Zum Beispiel, dass er tatsächlich gegen uns arbeitet. Oder für die Chinesen.«
    »Glaube ich nicht«, sagte Milo.
    »Man kann nie wissen.« Mit einem langen Nagel tippte sie ihm auf den Unterarm. »Jeder von uns könnte ein Maulwurf sein.«
    Auch wenn Leticias Antworten ausweichend blieben, so bestätigten sie doch zumindest die Angaben, die Irwin und Collingwood gemacht hatten. Der erste Angriffsplan war vielleicht von Alan ausgegangen, doch danach hatte sich eine Art Spaltung zwischen ihm auf der einen und Collingwood, Irwin und Jackson auf der anderen Seite vollzogen. Und offenbar war die Auseinandersetzung so heftig gewesen, dass sich Alan veranlasst sah, vollkommen von der Bildfläche zu verschwinden und dabei nicht nur die Operation der anderen aufs Spiel zu setzen, sondern auch das Leben seiner Frau und von Milos Familie.
    Nachdem die Tabletts abgeräumt waren, fragte Milo weiter. »Woher weißt du, dass es besser ist, für Irwin zu arbeiten als für Alan?«
    »Wie bitte?« Mit forschendem Blick wandte sie sich ihm zu.
    »Anscheinend gibt es hier zwei Pläne. Den von Irwin und Collingwood und den von Alan. Du sagst, du kennst weder den einen noch den anderen in vollem Umfang. Woher willst du also wissen, dass es nicht besser wäre, sich auf Alans Seite zu schlagen?«
    Sie leckte sich die Lippen und überlegte kurz. »Milo, hast du dir Alan in letzter Zeit näher angeschaut?«
    »Er ist labil.«
    »Freundlich ausgedrückt. Versteh mich bitte nicht falsch – ich mag Alan. Aber würde ich ihm mein Leben anvertrauen?« Sie

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