Die Spinne - Niederrhein-Krimi
Schwester zog den Stecker und versprach, den Besuchsdienst zu informieren.
* * *
Alfons Verfürth öffnete die Mitteilungen und verstand zunächst nicht, was er da las. Er drehte sich auf seiner milbenverseuchten, abgewohnten Eckbank um, griff zur Wasserflasche und nahm einen kräftigen Schluck, las dann die Nachricht ein weiteres Mal.
Ein Foto hatte sich geöffnet, eine dicke grau-braune Spinne mit gefährlich langen Beinen starrte ihn mit schwarzen Augen an. Der Begleittext zum Bild ließ ihn erschauern. »Wenn du deine Frau lebend wiedersehen willst, dann such sie heute Abend an der Rheinpromenade. Sie poussiert dort mit der Spinne.«
Die Nummer des Absenders war unterdrückt, er konnte nicht nachfragen, nicht antworten, kein Anruf möglich. Schlagartig wurde ihm die Bedeutung der Nachricht bewusst. Louise, seine Louise war in Gefahr. Die auf sein Handy geschickte Spinne galt nicht ihm, die Warnung bezog sich auf seine Frau. Wie bei den anderen. Keiner der Männer war umgekommen, dafür ihre Frauen. Jetzt hatte er Louise im Visier. Alfons tippte ihre Nummer ein. Im Haus meldete sich der Anrufbeantworter. Er besprach ihn eindringlich.
»Louise, ich bin’s, bitte, lösch nicht gleich, es ist wichtig. Du musst auf dich aufpassen, dir will jemand was antun. Ich weiß nicht wer, ehrlich, aber du darfst auf keinen Fall zur Rheinpromenade fahren, hörst du? Ich komme, ich bin in einer halben Stunde da, verlass nicht das Haus, ja? Louise, ich …«
Das Band war voll.
* * *
Tom und sein Kollege Jerry, der das Geschnipsel langsam leid war, machten sich auf den Weg nach Haldern. Die Straßen ließen eine angemessene Geschwindigkeit zu, und während der Fahrt telefonierte Tom mit dem Platzwart, der sich nicht erinnern konnte, einen Wintergast namens Verfürth unter den abgehärteten Campern zu haben. Seit Dezember seien ungefähr dreißig Wagen belegt, er könne nachschauen, wer regelmäßig seine Gasflaschen austauschen würde, er würde die entsprechenden Daten heraussuchen und auf sie warten.
»Das ist mal einer, den man nicht zur Mithilfe einladen muss. Der denkt selbstständig über die Kooperation nach. Hau rein, ich will endlich mal einen Fortschritt sehen.«
Auf der B 8 in Richtung Mehrhoog gab Jerry sein Bestes.
Gegen dreizehn Uhr erschien Lydia Weihers. Karin und Burmeester legten ihr die alten Fotos vor und bewirkten zunächst einen klassischen inneren Rückzug der Frau, der deutlich zu erkennen war. Sie lehnte sich zurück, verschränkte die Arme und schaute zur Seite. Karin schickte Burmeester in den Nebenraum, er verstand. Frauensache.
»Frau Weihers, dieses Foto löst heftige Erinnerungen bei Ihnen aus, ich weiß das. Ich kenne die Geschichte, die dazugehört. Wir haben Sie nicht deswegen hergebeten. Alles ist verjährt. Wir brauchen Ihre Hilfe, um eine Frau zu identifizieren, von der bislang niemand den Namen kennt. Bitte schauen Sie noch einmal genau hin. Wie heißt diese junge Frau?« Karin tippte mit dem Finger über Lolas Kopf.
Lydia Weihers riskierte einen Blick aus der Ferne. Karin sah, dass sie wusste, um wen es sich handelte. Sie konnte den Prozess des Erkennens an der Bewegung ihrer Augen ablesen. Lydia Weihers schwieg.
»Wir wissen, dass sie Lola genannt wurde. Die kesse Lola. Wir brauchen ihren richtigen Namen, weil wir sie zu laufenden Fällen befragen müssen. Frau Weihers, ich hole uns mal einen Kaffee, und dann bleibt uns nichts anderes übrig, als so lange hier sitzen zu bleiben, bis Lola vor Ihrem geistigen Auge sichtbar wird, bis Sie ihre Not spüren und Sie wieder die Sechzehnjährige sind, die selbst der schrecklichen Erfahrung entgangen ist, die Lola auf Ameland machte. Ich werde Ihnen das Szenario so oft präsentieren, bis Sie denken, es sei gestern geschehen. Das wäre die harte Tour.«
Lydia Weihers schien verunsichert.
»Ich kann uns aber auch einen Kaffee holen, und Sie berichten mir alles zu dem Mädchen, was Sie in Erinnerung haben, und bestimmt tut sich ihr Name im Laufe des Erzählens wie von selbst auf. Manchmal braucht es nur fünf Minuten, bis einem Vergessenes wieder einfällt.«
Karin stand auf und ging zur Tür. »Schwarz oder mit Milch und Zucker?«
»Schwarz bitte.«
»Überlegen Sie, wie wir zum Ziel kommen sollen, ich werde in drei Minuten zurück sein.«
Als Karin den Raum erneut betrat, saß Lydia Weihers mit gefalteten Händen vor dem Tisch und schaute ihr entgegen. Gut, dachte die Hauptkommissarin, sie bewegt sich.
»Dann wollen wir
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