Die Spinne - Niederrhein-Krimi
können?«
»Nein, ich durfte doch nach Johannas Telefonat mit deiner Chefin nicht mehr vor die Tür. Und vorher war ich zu aufgeregt. Ich bin nicht mehr der Jüngste, vergiss das nicht.«
Burmeester schaute ihn durchdringend an. Der Mann ging auf die Siebzig zu, wirkte wie ein Mittfünfziger und war fit wie ein Vierzigjähriger. »Den Spruch kannte ich noch nicht. Du hast nicht darauf geachtet, stimmt’s?«
Henner nickte. Er hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, erstaunt darüber, dass er wieder zurück war, der Tausendsassa. Erst als Johanna nervös wurde, weil Louise seit dem Morgen aus dem Haus war, war ihm aufgefallen, dass nebenan etwas nicht stimmte.
»Bevor ich wieder rausgehen konnte, hatte sie schon im K1 angerufen und die Order erhalten, im Haus zu bleiben und nichts zu unternehmen.«
»Schon gut, hätte ja sein können. Ich werde die Straße auf und ab bei den Anwohnern klingeln und fragen, vielleicht ist er noch jemandem aufgefallen. Aber zuerst rufe ich bei der Autovermietung an, die müssen mir das Kennzeichen raussuchen.«
Burmeester schaute in den dicht bewölkten Himmel, der erneut seine Schleusen öffnete und unangenehmen Schneeregen fallen ließ. Feuchte Flocken pladderten herab, die sofort auf der Kleidung hafteten und große nasse Flecken hinterließen. »Ich komme eben mit rein, du kannst mir bestimmt einen Schirm ausleihen.«
Sie hasteten zur Haustür, Burmeester hörte Johannas Stimme aus dem Hintergrund, gab Henner zu verstehen, er möge verschweigen, dass er an der Tür sei. Burmeester nahm den Schirm entgegen, dankte stumm und machte sich auf den Weg. Im Fortgehen hörte er Henner sagen, er käme gleich, sie solle ihn nicht hetzen.
»Sei nicht so neugierig, meine Liebe, ich muss doch erst Jacke und Schuhe ausziehen. Draußen braut sich was zusammen, ich vermute, es wird sehr unangenehm werden.«
»Frau Weihers! Wie heißt die Lola mit richtigem Namen? Entweder ist die Frau in Gefahr, so wie Sie eventuell auch, weil jemand direkt oder indirekt allen schaden will, die dabei gewesen sind, oder sie ist eine Täterin, die immer weitermachen wird. Reden Sie endlich.«
Karin raufte sich die Haare, am liebsten würde sie die Frau auf der anderen Seite des Tisches schütteln. Sechzehn Uhr, seit fünf Stunden hatte sie Vanilleduft und Einzelheiten des jungen Lebens einer Frau, die man als Jugendliche Lola nannte, aus einer Zeugin herausgelockt, die an einer teilweisen Amnesie zu leiden schien. Vielleicht sollte sie die Psychologin dazuholen, die könnte im Nebenraum analysieren, was die Frau an nonverbalen Botschaften aussendete, und ihr die Schwachstelle per Headset durchgeben. Das wäre gut.
»Ich bin gleich zurück.«
Kaum hatte sie die Türklinke in der Hand, hörte sie die Befragte murmeln.
»Was sagten Sie?«
»Marlies.«
»Marlies, die süßlich nach Vanille riechende, kesse Lola. Und weiter?«
Schweigen.
»Den Vornamen hatten wir schon, wir brauchen den Nachnamen. Ich bin in fünf Minuten wieder da.«
In ihrem Büro wählte sie die Nummer der Psychologin, jedoch ohne Erfolg. Sie besprach den Anrufbeantworter, bat um zeitnahen Rückruf. Im Anschluss schaute sie in den Besprechungsraum. Von Aha und Mette hatten nicht nur die verschlüsselten Botschaften der jungen Petra Winter geordnet und lesbar gemacht, sie waren im zweiten Schritt dabei, die Zeichnungen auszuwerten, die eingescannt wurden und über den PC auf der digitalen Schauwand zu sehen waren. Die schriftlichen Einträge hatten nichts Wesentliches mehr zutage gefördert, das letzte Tagebuch endete mit der Rückkehr aus den Ferien.
Mette rieb sich die Augen. »Ich kann einfach nichts erkennen, was wir klar benennen können. Überall Arabesken mit unzähligen Blüten, Strichmännchen, die auf dem Kopf stehen, und Bäume in Reih und Glied. Das müsste ein Fachmann deuten, ich glaube aber nicht, dass dort Botschaften versteckt sind.«
Karin schaute von dem Schaubild auf den erschöpften Kollegen und seine nicht minder strapazierte Bekannte. »Ich möchte, dass ihr hier Schluss macht. Gero, klasse Arbeit. Mette, vielen Dank, aber musst du nicht langsam ans Packen denken? Es ist sechzehn Uhr durch.«
Mette erschrak, um achtzehn Uhr zwanzig ging ihr Zug. »Mensch, danke, ich hätte den echt verpasst. Ich habe mein Zeitfenster ausgereizt, ich muss heute zurück. Gero, gib mir den Schlüssel, ich hole mein Gepäck und komme dann zurück. Es ist ja nicht weit zum Bahnhof von hier aus, das schaffe ich dann zu
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