Die Spinne - Niederrhein-Krimi
Treppe hinab, bahnte sich den Weg auf den Hof und entdeckte den alten Wagen unter einer riesigen Schneehaube. Zeit, alles kostete Zeit, beim Öffnen der Tür pladderten ganze Schneeplacken auf den Sitz, er befreite die Windschutzscheibe leidlich mit Hilfe einer Parkscheibe aus Plastik als Schneeschieberersatz und startete anschließend durch. Zum Glück hatte sein Kollege Burmeester die alte Rostlaube mit guten Winterreifen ausgerüstet.
Das Hotel lag in Luftlinie keine zwei Kilometer von seinem Standort entfernt, die Strecke über Straßen war vielleicht doppelt so lang. Vor ihm tat sich eine dichte Wand aus Schneeflocken und reflektierenden Rücklichtern auf. Selten hatte sich Gero von Aha so ausgebremst und hilflos gefühlt.
* * *
Eine Art Allmachtsgefühl durchflutete den Vermummten, während ihn der Lift nahezu geräuschlos in die Höhe brachte. Was sich in seinem Körper abspielte, ähnelte einem Adrenalin-Flash wie damals, als er mit seiner Schwester gemeinsam mit den neuen Inlinern den Fürstenberg in Xanten hinuntergerast war. Sie hatten keine Ahnung, wie sie bremsen konnten, beseelt von diesem kindlichen Leichtsinn ließen sie sich rollen, rollen, rollen, und aus ihren Kehlen quoll ein lautes, kreischendes Lachen …
Der Mann legte seinen dunklen Mantel über den Arm, schob das dezent grau schillernde Sakko zurecht, strich seine von dem Hut platt gedrückten Haare in Form und schritt als strahlender Charmeur aus dem Lift. Er orientierte sich an dem Wegweiser zu den Zimmernummern, während die Aufzugtür sich mit einem zarten Fauchen hinter ihm schloss. Nichts an ihm erweckte Argwohn. Wäre ihm hier jemand begegnet, so hätte dieser einen erwartungsvoll lächelnden Mann gesehen, nett, gepflegt und mit einem Blumenstrauß auf dem Weg zu einem möglicherweise geheimen amourösen Treffen in einem angenehmen Hotel.
* * *
Gero von Aha hatte große Probleme, den Wagen in der Spur zu halten, das aufgesteckte Blaulicht half nicht wirklich, den Weg zu ebnen. Den Abzweig vom Hansaring in die Fischertorstraße nahm er viel zu schnell, schlingerte, setzte seinen Weg unbeirrt fort. Was blieb ihm anderes übrig? Die irregeleiteten Kollegen Tom und Jerry waren auf dem Rückweg aus Haldern, Burmeester in Bislich-Büschken verschollen, und die Erkenntnis von Karin Krafft, dass der Täter wahrscheinlich ein amouröses Treffen im Hotel arrangiert hatte, entspannte die Situation keineswegs. Eine sehnsuchtsvolle Frau, in der verschüttete Gefühle geweckt waren und die nach enttäuschenden Ehejahren im besten Alter wieder begehrt werden wollte, würde kein großes Verständnis für ihn haben. Niemand wird mir zu Hilfe kommen, dachte Gero von Aha.
Wenn er angesichts seiner halsbrecherischen Fahrweise überhaupt heil im Hotel ankommen würde, hätte er keine Zeit für eine vorsichtige Observierung des Paares, von dem eine Person als Mordopfer ausersehen war. Er könnte nicht auf Verstärkung warten, wenn die Annahme stimmte, dass der geheimnisumwitterte Täter soeben die Verabredung mit Louise Verfürth einlöste.
Von Aha gab verzweifelt Gas, umrundete mit driftendem Wagenheck die Boje mitten im kleinen Kreisverkehr der Fischertorstraße und jagte in Richtung Rhein. Er tastete mit der Rechten nach seinem Holster. Die Klappe des Pistolenhalters war geöffnet, das Innere leer. Er verfluchte seine Schludrigkeit – seine Dienstwaffe lag in seiner Schreibtischschublade, in die er sie einschloss, wenn er im Innendienst war. »Du grenzenloser Idiot«, schimpfte er sich selbst. Er informierte die Leitstelle über den Einsatz und das Zielobjekt, das er gleich erreichen würde.
»Und ich habe keine Zeit zu warten. Ist Verstärkung unterwegs?«
»Wie man es nimmt. Alle Einsatzwagen befinden sich entweder an Unfallorten oder an neuralgischen Punkten, die es zu sichern gilt. Am nächsten zu Ihrem Zielstandort sind die Wagen aus Obrighoven, Flüren oder Büderich, alle sind informiert. Ich kann für zeitnahes Eintreffen nicht garantieren. Kollege von Aha, Sie erfahren doch gerade selber, was draußen los ist.«
Von Aha warf sein Smartphone in dem Augenblick auf den Beifahrersitz, als er am zweiten Kreisel zwischen der Fischertor-Kleingartenanlage und dem RWE -Umspannwerk vorbeischleuderte und gerade noch in die Spur zurückkam. Durch das dichte Schneetreiben ließ sich nur erahnen, dass hundert Meter weiter der Rhein floss und die Straße an der Promenade fast rechtwinklig abknickte. Wollte er nicht über das Ziel
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