Die Spionin im Kurbad
fixiert werden. Aber glauben Sie mir, ich gehe äußerst vorsichtig mit den Chemikalien um, und außer mir hat nur Rudolf Zutritt zu dem Raum. Der Wirt hat mir einen Schlüssel ausgehändigt, sodass kein Gast hier eindringen und einen Schluck aus der Blausäureflasche nehmen kann. Und nun lassen Sie uns die Unterwelt wieder verlassen. Oben locken das Sonnenlicht und noch ein Glas Wein.«
Ich war froh, wieder ins Freie zu kommen, und warnte Filou noch einmal, ja nicht in diesen Keller zu gehen.
» Ich soll bei ihm bleiben, Mama?«
» Er ist ein Katzenfreund. Er wird für dich sorgen, und du wirst dich um ihn kümmern, Filou. Sein Freund dort, der ist sehr krank, und ich denke, er wird bald sterben. Dann wird Tigerstroem dich brauchen.«
» Bleibst du bei Altea im Garten?«
» Vorläufig ja.«
» Darf ich vorbeikommen?«
» Du musst erst dein Revier festlegen. Du bist jetzt ein Kater mit Verantwortung.«
» Ja, Mama.«
Ich sah ihm tief in die Augen, und was ich ihm dabei mitgab, hat Sie nicht zu interessieren. Anschließend schlappte ich ihm noch einmal über die Nase, dann schloss ich mich Altea an, um sie zurück zu ihrem Garten zu begleiten. Das Letzte, was ich von meinem Sohn sah, war, dass er auf Tigerstroems Arm saß und an seinem Barett zupfte.
Ich fühlte mich ein wenig leer.
Rattenfänger
Die Nacht hatte ich zusammengerollt mit meinen verbleibenden zwei Kindern verbracht, und irgendwie war mir nicht danach, in der Morgendämmerung meine Runde zu machen. Ich raffte mich erst auf, als es Zeit für Bouchons Promenade mit dem Freiherrn war, und schlenderte zum Kurpark. Hier wandelte der freundliche Herr auch, doch allein. Das verblüffte mich etwas. Aber er bemerkte mich und grüßte höflich.
» Wenn du Bouchon suchst, Madame Sina, dann musst du Richtung Brücke gehen. Er hat beschlossen, ein Abenteuer zu erleben.«
Autsch, das konnte schiefgehen. Kathy war zwar eine gutmütige Katze, aber unbefugtes Eindringen in ihr Revier ahndete sie mit scharfer Kralle. Noch mehr aber würde Romanow den armen Stopfen das Fürchten lehren.
Ich machte mich flugs auf den Weg, ihn zu retten.
Über die Brücke flanierten zu dieser Stunde viele Menschen. Gemächlich und mit großen Pausen. Auch sie ergötzten sich an dem träge dahinfließenden Wasser, beobachteten Ruderboote mit Ausflüglern, Nachen, die mit Packen und Fässern beladen waren, oder die drei arrogant dahingleitenden Schwäne.
Ich konnte mir einen derartig beschaulichen Halt nicht leisten. Ich huschte wieder einmal um Volants und Gamaschen und erreichte das andere Ufer unversehrt. Hier drückte ich mich an eine Mauer und witterte. Es war schwierig, zwischen all den menschlichen Ausdünstungen Katzenspuren zu finden. Romanows Markierungen waren sicher die deutlichsten – er war ja auch ein äußerst viriler Kater. Wo, verflixt, konnte der dicke Stopfen sich hinverirrt haben?
Weit war er sicher nicht gegangen, das war nicht seine Art. Vor mir ragte das Haus Panorama auf, Kathys Unterkunft, ein sehr großes Hotel. Um den Einschlupf in den Garten zu finden, musste man die Umgebung gut kennen. Aber das Ufer war hier flach und mit einigem Gesträuch bewachsen. Ich schlängelte mich weiter zwischen den Promenierenden hindurch.
Da hörte ich das Kreischen.
Kampfgeschrei.
Romanow!
Ich los wie ein Blitz.
Und da stand er auch schon. Groß, schwarz, stark. Das Nackenfell gesträubt, die Ohren angelegt, die Barthaare nach hinten gerichtet, blitzende Augen.
Und der graue Stopfen zusammengerollt, ängstlich, zitternd.
Ich stürzte mich in die Schlacht.
Romanow hatte nicht mit mir gerechnet. Mir gelang ein Anrempler von hinten.
» Weg, Bouchon!«, schrie ich und bekam eins über den Nacken gebraten.
Duckte mich, bereit für den nächsten Schlag.
Er kam, fetzte mir über die Ohren.
Es tat weh. Ich zielte auf Romanows Nase.
Ein winziger Kratzer.
Seine Augen funkelten.
» Neuer Liebhaber?«, knurrte er.
» Ein harmloser Dummkopf!«, murrte ich zurück.
» Lohnt den Kampf nicht.«
» Nein, lohnt nicht. Ich scheuch ihn weg.«
Romanows Rückenfell glättete sich, aber bedrohlich sah er noch immer aus.
» Du bist etwas zu häufig in meinem Revier. Das nächste Mal setzt’s richtig was!«
» Schon gut.«
Er stolzierte weg. Das konnte er gut, der Schwarze. Prima Vater für meine Kinder.
Bouchon saß noch immer, ein zitterndes Häuflein Elend, auf dem kiesigen Streifen am Wasser.
» Blödmann!«
» Ja, ich weiß. Du blutest.«
» Ja, ich weiß«,
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