Die Spionin im Kurbad
Mit den Fingerspitzen fuhr er den Ornamenten nach. » Und eine billige Bazar-Imitation ist es auch nicht.«
Olga war blass und schweigsam, Alinuschka saß auf ihrem Schoß und schnurrte leise.
» Es wäre hilfreich, wenn einer von Ihnen hier wüsste, wie diese Dose dort unter den Rosenbusch gelangt ist.«
Vincent schaute in die Runde.
Alle schwiegen.
Dann hob Altea plötzlich den Kopf.
» General Rothmaler, erinnern Sie sich an den Tag, als Sie in Bad Ems eintrafen und mit mir, Frau Viola und Mama hier plaudernd im Garten saßen?«
» Ja, natürlich, meine Liebe.«
» Es hat ein Gezänk im Haus gegeben, recht lautstark. Madame Olga beschimpfte die Wirtin, etwas verräumt zu haben. Eine Pillendose oder so was, wenn ich mich recht erinnere.«
» Ach ja?«
Olga senkte den Kopf.
» Alle, die hier sitzen, möchte ich zum Schweigen verpflichten«, sagte Vincent. » Altea?«
» Wenn es denn notwendig ist.«
» Das ist es. Frau von Lilienstern?«
» Natürlich.«
» Herr General?«
» Wenn Sie es für sinnvoll erachten.«
» Überaus. Es hat mit einem … Auftrag zu tun. Nicht wahr, Olga?«
» Ja.«
» Marijinsky-Theater«, schnaubte der General.
» Nehmen Sie an. Bitte.«
» Nun gut.«
Vincent hatte das Döschen weiter betastet und drückte mit dem Finger an eine Stelle. Der Deckel sprang auf. Er holte etwas in Watte Gehülltes heraus. Ich musste auf einen leeren Stuhl springen, um es beäugen zu können. Es roch nach nichts.
» War es das, was du gesucht hast, Olga?«
» Das war es, was ich gefunden hatte!«, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus.
» Und was ist es?«
Altea beugte sich vor.
» Eine optische Linse.«
» Was wollten Sie denn damit?«
» Das werde ich Ihnen nicht sagen. Und wenn Sie mich der Folter unterziehen.«
» Folter gehört nicht zu meinen Methoden, Olga. Das weißt du. Sei’s drum. Aber wie bist du an Biscontis Pastillendöschen gekommen?«
» Ich habe es ihm fortgenommen. Ganz einfach.«
» Wann?«
Sie schien Alinuschka gezwickt zu haben, denn die schrie auf und sprang von ihrem Schoß. Ich hüpfte ebenfalls von meinem Sitz und putzte ihr zerrauftes Fell.
» Sie hat so Schmerzen«, maunzte die Kleine.
» Hat sie?«
» Sie tun ihr weh.«
» Sie hat etwas Unrechtes getan, Alina. Etwas, das sie nicht verraten will. Aber ich habe gesehen, wie sie das Döschen dem toten Mann gemaust hat. Es wäre besser, sie würde es sagen.«
» Dann versuch ich es noch mal.«
» Du bist tapfer, Kleine.«
Sie trottete wieder auf Olga zu und sprang erneut auf ihren Schoß.
Vertrauen.
Vertrauen war der Schlüssel zu Olgas Herz.
Sie sah Alinuschka an und streichelte sie sanft. Dann seufzte sie.
» Dieses Tierchen, ihm ist es gleichgültig, was ich getan habe.«
» Sie haben Ihre Gründe, wie ich inzwischen verstanden habe. Aber, Madame Olga, wir haben es mit zwei Morden zu tun, und jeder Hinweis hilft uns weiter. Wenn Sie ausschließlich mit dem Major de Poncet darüber sprechen wollen, dann respektieren wir das.«
» Einverstanden, Olga?«
» Ja.«
» Nun, dann werden wir uns jetzt zurückziehen. Olga, möchtest du mich ins Hotel begleiten, oder wollen wir deine Wohnräume hier aufsuchen?«
» Bleiben wir hier.«
Vincent und Olga erhoben sich. Vincent reichte Altea die Serviette mit den Pastillen und bat sie, sie bei dem Apotheker vorbeizubringen, Mama und der General blieben am Tisch sitzen, und Mama schenkte noch einmal Kaffee nach.
Ich blieb auch. Alinuschka würde mir schon berichten, was Olga und Vincent nun besprechen würden. Sie war wirklich eine kleine Herzschmeichlerin.
Noch ein Heiratsantrag
» Sie ist eine bedauernswerte junge Frau«, sagte Mama mit einem Blick in Richtung Olgas Fenster.
» Bedauern Sie sie nicht zu sehr, sie besitzt einiges an Härte«, grummelte der General.
» Mag sein. Aber es ist ganz bestimmt schrecklich für eine gefeierte Opernsängerin, die Stimme zu verlieren.«
» Gnädigste, auch Sie sollten allmählich bemerkt haben, dass Madame Olga nie und nimmer eine Opernsängerin gewesen ist.«
Mama betrachtete nachdenklich ihre blau geblümte Kaffeetasse.
» Ist sie nicht? Nun ja, mich machte letzthin beim Kurkonzert auch ein wenig stutzig, dass sie gar so wenig zu den Stücken sagen konnte, die wir geboten bekamen. Ich dachte allerdings, sie schwiege aus Höflichkeit. Das Orchester ging nicht – mhm – besonders sensibel mit Herrn Mozart um.«
» Geschrammel verkrachter Straßenmusikanten.«
» So schlimm nun
Weitere Kostenlose Bücher