Die Sprache der Macht
Anfang der Sitzung gar nicht anwesend sind. Was tun? Ohne den Platzhirsch beginnen? Unmöglich! Und doch lässt sich die Inszenierung der eigenen Dominanz in ungeahnte Höhen treiben, wenn man zu Beginn nicht persönlich anwesend ist. Dafür aber ein Stellvertreter, die Chefsekretärin, die rechte Hand. Und die lässt die Anwesenden wissen, man solle schon mal anfangen.
Darin zeigt sich der Sinn für Inszenierung von Macht. Ihre Bedeutung wird spürbar durch ihre Abwesenheit. Noch kommt es nicht so sehr darauf an, was gesagt wird. Der Stellvertreter sorgt nur dafür, dass die Sache in Gang kommt – und dass keine respektlosen Bemerkungen über den Abwesenden fallen.
Schließlich trifft er ein. Handelt es sich um eine größere Veranstaltung, ist noch eine bemerkenswerte Zwischenstufe möglich: Ehe er richtig zum Teilnehmerkreis dazustößt, setzt er sich in eine hintere Reihe oder gar etwas abseits und ignoriert souverän, dass sich jeder nach ihm umdreht. Wer die Situation nun bis zum Äußersten ausreizen will, der klappt noch sein Notebook auf, um dringende E-Mails zu bearbeiten.
Die besten Gründe kommen immer am Schluss
Es liegt in der Logik der Dramaturgie solcher Veranstaltungen, dass die dominanten Teilnehmer die Diskussion erst einmal laufen lassen und ein möglichst neutrales Gesicht dazu aufsetzen. Auf diese Weise können sie sich ein Bild machen: Wo verlaufen die Konfliktlinien? Wer ist gegen wen? Und aus welchen Gründen? Auch wenn ihnen dabei ein Gutteil Theater vorgespielt wird, so erfahren sie doch viel mehr, als wenn sie selbst das Steuer ergreifen und die Richtung vorgeben würden.
Schließlich ist es eine sehr dankbare Rolle, erst dann das Wort zu ergreifen, wenn sich die anderen Parteien schon geäußert haben. Auf diese Weise fällt einem auch ein wenig die Rolle des Richters zu – gerade weil man sich zuvor nicht geäußert oder gar Partei ergriffen hat.
Ein versierter Taktiker ist dabei keineswegs darauf angewiesen, dass sich die Diskussion vorher in seinem Sinne gestaltet. Auch wenn er eine dezidierte Meinung hat, die im Gespräch der anderen etwas zu kurz kommt, wird er ruhig abwarten – ehe er dazwischenfährt und darlegt, weshalb die Disukssion „an der Sache vorbeiläuft“. Er kann seine eigene Position besser begründen. Und weil alle anderen ihr Pulver bereits verschossen haben, braucht er nicht zu befürchten, dass mit einem Mal Argumente auftauchen, an die er bis jetzt noch nicht gedacht hat. Es ist nun einmal so: Derjenige, der das Schlusswort spricht, verkündet am ehesten den Konsens der Gruppe. In sein Urteil fließt die gesamte bisherige Diskussion ein – zumindest hat es den Anschein.
Anker- oder Rezenzeffekt?
Welche Strategie lässt die Dominanz nun stärker wirken: das Spiel mit dem Anker- (→ S. 52, „Den ersten Pflock einschlagen“) oder dem Rezenzeffekt? Das hängt von der Art der Entscheidung ab und von den Zielen. Geht es beispielsweise um irgendwelche Beträge (nicht nur Geldbeträge) oder um eine Beurteilung, dann sorgt der Ankereffekt effektiver für eine dominante Wirkung und man wird als erster das Wort ergreifen. Das setzt natürlich voraus, dass man schon eine recht genaue Vorstellung hat, was das Ergebnis der Diskussion sein soll (zum Beispiel. 5.000 Euro Honorar oder eine möglichst positive Beurteilung der Kollegin Goldbach).
In anderen Fällen geht es um einen Sachverhalt, bei dem der Rahmen bereits abgesteckt ist. Es gibt Pro- und Contra-Argumente, widerstreitende Interessen unter den Gesprächsteilnehmern und am Ende wird abgestimmt oder eine gemeinsame Entscheidung getroffen. Dann spricht vieles dafür, den Rezenzeffekt für sich arbeiten zu lassen. Und wenn Sie selbst sich überhaupt erst ein Bild machen müssen, dann liegt es ohnehin nahe, spät das Wort zu ergreifen, um Ihren Einfluss geltend zu machen.
Sprache der Macht im Alltag: Rezenzeffekt betont Dominanz
Durch den Rezenzeffekt kommt Dominanz stärker zur Geltung, während der Ankereffekt auch unterschwellig wirken kann. Zugespitzt formuliert heißt das: Es ist denkbar, dass Mitarbeiter A den Ankereffekt nutzt, um die Entscheidung unbemerkt zu beeinflussen. Gleichzeitig tritt Mitarbeiter B unter Ausnutzung des Rezenzeffekts als der eigentlich Dominante auf. So viel auch zum Thema Macht und Dominanz.
Ideen platzieren, aufgreifen und ignorieren
Bei einer Besprechung lässt sich der Status der Teilnehmer auch daran ablesen, ob ihre Themen und Argumente wieder aufgenommen werden –
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