Die Sprache der Macht
als egoistisch, neidisch, ja, gefährlich hinzustellen. Nach dem Motto: Heute trifft es mich, aber morgen werden diese Bestien auch über andere anständige Menschen herfallen, so wie Sie zum Beispiel. Verfügt das dominante Opfer über die entsprechenden Mittel, andere anzuschwärzen, wird das bereits manche davon abhalten, sich allzu negativ über den Betreffenden zu äußern.
Das eigentlich Überraschende an dieser Methode ist, dass sie sich sogar mit Strategien kombinieren lässt, die mit der Opferrolle unvereinbar scheinen, denn sie setzen ganz offen auf Stärke und Einschüchterung. Wie so etwas funktioniert, zeigt der italienische Ministerpräsident Silvio Berlucsconi. Ohne Zweifel der mächtigste Mann Italiens, was er auch immer wieder medienwirksam demonstriert. Zugleich aber stellt er sich als Opfer dar, dem linksradikale Journalisten, Staatsanwälte und Richter den Erfolg neiden. Dass diese Unterstellung geradezu abenteuerlich ist, ändert nichts daran, dass er sich ihrer mit großer Hartnäckigkeit bedient. Als ihr vermeintliches Opfer sieht sich Berlusconi geradezu gezwungen, sich vor dem Zugriff durch die Justiz zu schützen
Berlusconi will den Rechtsstaat verteidigen
Anfang Oktober 2009 erklärte das Oberste Gericht Italiens ein Gesetz für verfassungswidrig, das Berlusconi vor jeder Strafverfolgung im Amt verschont hätte. Kurze Zeit später ließ ein Mailänder Gericht ein Korruptionsverfahren gegen den Ministerpräsidenten wieder zu. Berlusconi erklärte daraufhin, die Justiz wolle ihn zerstören, weil er sich entschlossen habe, „die Macht der Kommunisten anzugreifen“. Auf die Frage, was er im Falle einer Verurteilung zu tun gedenke, sagte der Ministerpräsident: „Wir stünden dann vor einer solchen Verkehrung der Wahrheit, dass ich umso mehr die Pflicht verspüren würde, im Amt zu bleiben, um die Demokratie und den Rechtsstaat zu verteidigen.“
Gegenstrategien
Auch wenn die dominante Opferrolle in unterschiedlichen Härtegraden gespielt wird, unterschätzen sollten Sie diese Methode auf keinen Fall. Doch bleiben wir erst einmal bei den harmlosen Varianten. Da können Sie sich gewissermaßen von zwei Seiten zur Wehr setzen: Entweder stellen Sie den Schaden / das Unrecht als nicht so bedeutsam hin. Zwar wird Sie das in den Augen des andern erst recht zu dem Ungeheuer machen, zu dem er Sie erklären will, aber es gelingt Ihnen zumindest, den Vorwurf an sich abprallen zu lassen. Noch besser, wenn Sie auch andere davon überzeugen können, dass sich das Drama in Grenzen hält. Die Alternative heißt: Sie bestreiten, dass Sie überhaupt für den Schaden / das Unrecht verantwortlich sind. Als Mindestargument gehört hierher, dass der Schaden für Sie gar nicht abzusehen war, Sie also keineswegs „schuld“ daran sind.
Ihr Gegenüber wird versuchen, Sie moralisch unter Druck zu setzen. Sie handeln unanständig, rücksichtslos, egoistisch. Die aussichtsreichste Möglichkeit, sich dagegen zu wehren: Erstens: Sie weisen den Vorwurf von sich. Zweitens: Sie legen Ihre Sicht der Dinge dar. Drittens: Sie gehen zum Gegenangriff über und erklären, dass sich Ihr Gegenüber zum Opfer stilisiert, um Vorteile für sich herauszuschlagen, Sie aber „auf dieses durchsichtige Manöver nicht hereinfallen“.
Sie können auch versuchen, das dominante Opfer mit seinen eigenen Waffen zu schlagen und ihm seinerseits die niedrigsten Motive unterstellen. Zum Beispiel: „Sie wollen mich gar nicht verstehen.“ oder „Ihnen geht es doch nur darum, andere ins Unrecht zu setzen.“ Das führt zu einer Art Pattsituation, in der es schwierig wird, noch auf diesem Register zu spielen. Doch nicht jedem liegen solche ausgefuchsten Manöver.
In ganz und gar nicht harmlosen Fällen ist die dominante Opferrolle auf Rufschädigung aus. Die unterschwellige Drohung heißt: Tue, was ich will, sonst ruiniere ich deine Reputation. Mitunter ist es äußerst schwierig dagegenzuhalten. Entweder weil das dominante Opfer besseren Zugang zu den Kommunikationskanälen hat oder weil es als glaubwürdiger gilt – aus welchen Gründen auch immer. So hat ein Kunde, der sich in Gegenwart anderer Kunden beschwert, er sei von Ihnen „über den Tisch gezogen“, ohne Zweifel einen Startvorteil. Ihrem Hinweis, es sei doch alles mit rechten Dingen zugegangen, wird erst einmal weniger Glauben geschenkt. Aber auch wenn sich Ihr Vorgesetzter über Ihre mangelnde Zuverlässigkeit beklagt, sind Sie meist in der schwächeren Position. Ihm wird
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