Die Sprache der Macht
Tritt der andere allzu anmaßend auf, besteht die Gefahr, dass er auch in anderen Situationen Oberwasser bekommt. In Situationen, in denen Sie die Führungsrolle übernehmen wollen. Ob Sie aber wirklich dagegenhalten oder gar den anderen ausstechen sollten, das hängt letztlich von Ihrem Naturell ab.
Es gibt noch eine vierte Gegenstrategie, die zwar elegant, aber auch ein wenig hinterhältig ist. Allerdings kommt sie nur für Fälle in Frage, in denen der Gesprächspartner bereits über das Ziel hinausgeschossen ist. Anstatt seine Imponiersprache zu überbieten oder höflich zu dulden, gibt man sich scheinbar geschlagen. Ohne jeden Anflug von Ironie erklärt man, dass die eigene Welt so ganz anders beschaffen ist. Um bei dem Beispiel der Hochseeregatta zu bleiben: Noch vor der Nachfrage erklärt man: „Ich kann mir so etwas nicht leisten. Ich bin nur einmal mit meinen Eltern über den Dümmer See gerudert.“
Die dominante Opferrolle
Zum Abschluss dieses Kapitels muss noch von einer recht bedenklichen Spielart die Rede sein, die gewöhnlich unter den Tisch fällt, wenn von Dominanz die Rede ist. Gemeint ist die Opferrolle, in der man auf ganz eigene Art die Vorherrschaft gewinnen kann. Dabei hat es zunächst den Anschein, als sei genau das Gegenteil der Fall: Die anderen lassen mich nicht zum Zuge kommen, verhalten sich rücksichtslos, verschaffen sich auf meine Kosten Vorteile. Ich tue nichts anderes als diesen beklagenswerten Umstand beim Namen zu nennen. Und zwar immer und immer wieder.
Ist das nicht geradezu das Gegenteil von Dominanz? Befinde ich mich nicht in einer Position der Schwäche? Bin ich in der Opferrolle nicht der passive Part, der nur jammert und klagt? Der die Dinge über sich ergehen lassen muss und gerade nicht aktiv gestalten kann? Die Opferrolle scheint doch mehr durch Leiden als durch Leiten bestimmt. Nun, so scheint es. Und doch ist es ganz anders.
Achtung: Die dominante Opferrolle
Üblicherweise wird unter der Opferrolle verstanden, dass man sich gegen respektlose Behandlung nicht wehrt, sich alles gefallen und so zum Opfer machen lässt. Das ist hier ausdrücklich nicht gemeint. Die dominante Opferrolle kehrt die Sache geradewegs um: Zwar beklagt das dominante Opfer sein Los, aber es lässt sich eben nicht das Geringste gefallen. Vielmehr erklärt es sich selbst zum Opfer, um seine Ansprüche durchzusetzen.
Die Kunst, den anderen ins Unrecht zu setzen
Dominanz in der Opferrolle, das heißt zweierlei: Ich habe einen Schaden erlitten oder mir ist Unrecht widerfahren (deshalb bin ich ja das Opfer). Und dieses Unrecht muss wieder gutgemacht werden – und zwar von meinem Gegenüber (darin besteht die dominante Stoßrichtung), sagen wir: von Ihnen. Nun stellt sich allerdings die Frage, warum Sie mir überhaupt beispringen sollten. Vielleicht gelingt es mir, Ihr Mitleid zu erregen, Ihre Sympathie zu gewinnen oder Sie bei Ihrem Pflichtgefühl zu packen. Aus machttechnischer Sicht haben diese Motive jedoch einen gravierenden Nachteil: Sie beruhen im Wesentlichen auf Freiwilligkeit. Dominanz kann ich darauf nicht aufbauen. Im Gegenteil, ich spiele ganz auf dem niedrigen Register, um Ihre Zustimmung zu gewinnen.
Das ändert sich jedoch vollkommen, sobald es mir gelingt, Ihnen die Verantwortung für den Schaden auf den Hals zu laden. Sie sind schuld. Das bedeutet: Sie müssen die Sache wieder in Ordnung bringen oder irgendeine Art von Entschädigung leisten. Dabei ergibt sich für mich ein weiterer Vorteil: Ob die Entschädigung ausreichend ist, das entscheide ich allein. Womöglich gelingt es mir, ganz erstaunliche Gegenleistungen „herauszuschlagen“.
Nun kommt aber noch eine zwingende Voraussetzung hinzu: Sind Sie nicht bereit, sich auf die Sache einzulassen, ja, leugnen Sie Ihre Verantwortung, so müssen Sie mit nachteiligen Konsequenzen rechnen – welcher Art auch immer. Moralische Appelle gehören nicht in den Werkzeugkasten der Dominanz. Wir haben es ja bereits angesprochen: Macht gründet in der Fähigkeit und der Bereitschaft, dem anderen Unannehmlichkeiten zu bereiten. Dominanz in der Opferrolle bedeutet, den anderen ins Unrecht zu setzen.
Böse Absichten unterstellen
Versuche ich aus der Opferrolle heraus zu dominieren, kommt es zunächst auf zwei Elemente an: Ich muss den Schaden, den Nachteil, das Unrecht, das ich erlitten habe, meinem Gegenüber deutlich machen – und zwar in möglichst grellen Farben. Vielleicht ist meine Situation gar nicht so bedrohlich, vielleicht bin
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