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Die Sprache der Macht

Die Sprache der Macht

Titel: Die Sprache der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Noellke
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totalitären Diktatur. Ein wesentliches Element ist die Kontrolle der Sprache. Dazu dient die offizielle Amtssprache „Newspeak“. Sie verfügt über einen reduzierten Wortschatz (um differenziertes Denken zu verhindern). Negative Begriffe werden gebildet, indem man dem positiven Begriff die Vorsilbe „un“ hinzufügt. Dadurch wird mögliche Kritik entschärft. Anstatt jemanden als „böse“ zu bezeichnen, muss man ihn „ungut“ nennen. Steigerungsformen werden durch „plus“ oder „doppelplus“ gebildet. Statt „besser“ heißt es „plusgut“, anstelle von „am besten“ sagt man „doppelplusgut“. Außerdem gibt es Abkürzungen, die verschleiern sollen, worum es eigentlich geht. Das „Ministerium für Wahrheit“ (wir würden sagen: das Propagandaministerium) wird als „Miniwahr“ bezeichnet.
    Nun lässt sich die Sprache jedoch nicht so ohne weiteres umkrempeln. Auch wer neue Begriffe und Formeln prägt, tut dies ja innerhalb bereits vorhandener Sprachmuster. Aber Worte können einfach umgedeutet werden. Tatsächlich ist dies eine weit verbreitete Methode der „Sprache der Macht“, auf die wir noch zu sprechen kommen (→ S. 133, „Begriffe besetzen, prägen und umdeuten“): Begriffe des Gegners werden aufgegriffen, inhaltlich neu aufgeladen und damit zu einer Waffe, die sich gegen den Urheber kehrt.
    Helmut Kohl und die „blühenden Landschaften“
    Als im Juli 1990 mit der DDR eine Wirtschafts- und Währungsunion geschlossen wurde, entwarf Bundeskanzler Helmut Kohl die Vision von „blühenden Landschaften“, in die sich die fünf neuen Bundesländer verwandeln könnten. Schon bald nutzte der politische Gegner diese Formulierung, wann immer die massiven Probleme in Ostdeutschland thematisiert wurden. Die „blühenden Landschaften“ erschienen nicht mehr als Ziel gemeinsamer Anstrengung (so hatte es Kohl ursprünglich formuliert). Vielmehr wurden sie zum ironischen Schlagwort für alle Widrigkeiten, unter denen Ostdeutschland zu leiden hatte. Als die stillgelegten Fabrikanlagen von Pflanzen überwuchert wurden, kamen die „blühenden Landschaften“ noch einmal zu Ehren – als Sinnbild für den Niedergang der einstmals so bedeutenden Industrie.
    Und doch gibt es selbstverständlich auch eine ganze Reihe von sehr erfolgreichen, um nicht zu sagen, machtvollen Formulierungen, die keineswegs umgedreht wurden, zum Beispiel das Waldsterben, die digitale Revolution oder die soziale Marktwirtschaft. Ob sich solche Begriffe durchsetzen, lässt sich im Voraus schwer beurteilen. Allerdings gibt es eine Reihe von Faktoren, die sich mehr oder weniger günstig darauf auswirken. Welche das sind, davon wird noch die Rede sein.
    Sprachregelungen
    Vor allem im beruflichen Zusammenhang sind Sprachregelungen von Bedeutung: Man verständigt sich darauf, bestimmte Formulierungen zu benutzen oder zu vermeiden. Häufig werden diese Regelungen auch von der Führung vorgegeben. Handelt es sich nicht etwa um Beschönigungen oder leere Floskeln, können diese Vorgaben durchaus ihren Sinn haben. Einmal sorgen sie für ein einheitliches Erscheinungsbild. Darüber hinaus können sie auch eine bestimmte Haltung zum Ausdruck bringen – etwa wenn es nicht geduldet wird, verächtlich über Kunden und Mitarbeiter zu sprechen. Und schließlich kommt es dem Unternehmen zugute, wenn sprachliche Schönfärberei und leere Floskeln vermieden werden.
    Die Kehrseite solcher Regelungen ist, dass es sich eben doch um Bevormundung handelt. Wenn sich jemand verächtlich über seine Mitarbeiter äußert, dann liegt darin gewiss ein Problem – doch wird es durch sprachliche Verbote vermutlich weniger gelöst als unter den Teppich gekehrt. Allerdings ist es von größter Bedeutung, wie in dem Unternehmen gesprochen wird: Denn darin kommt der Geist der Organisation zum Ausdruck. So zeigt sich die viel beschworene Corporate Identity nicht zuletzt in der Sprache.
    Die Seiten wechseln
    Wer sprachlich auf andere einwirken will, kommt überhaupt nicht darum herum, gedanklich die Seiten zu wechseln. Er muss sich in sein Gegenüber und dessen Sprachwelt hineinversetzen. Er muss kalkulieren, wie das, was er sagt, beim andern ankommt, denn das ist letztlich entscheidend. Die stichhaltigsten Argumente nützen ihm gar nichts, wenn der Gesprächspartner sie nicht versteht. Oder, was weit häufiger ist, wenn er irgendetwas anderes heraushört als das, worauf es dem Sprecher ankommt.
    Natürlich gelingt der Seitenwechsel immer nur unvollkommen.

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