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Die Sprache der Macht

Die Sprache der Macht

Titel: Die Sprache der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Noellke
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hingenommen. In Wertefragen gibt es keine Lappalien – zumindest was das Verhalten der anderen betrifft.
    Zweierlei und vielerlei Maß
    In Wertefragen stoßen wir immer wieder auf ein verblüffendes Phänomen. Es wird mit unterschiedlichem Maß gemessen. Eigentlich darf das ja gar nicht sein. Denn Werte sind ihrem Anspruch nach universell und gelten für alle. Nun, im praktischen Leben verhält es sich etwas anders. Da gibt es Bereiche, in denen werden die Regelungen sehr rigide ausgelegt. Andernorts handhabt man die Sache deutlich großzügiger. Und dann gibt es noch jene Zonen der Unbeschwertheit, in denen es den Bewohnern freigestellt ist, was sie mit den Werten anfangen. Dabei täusche man sich nicht: Auch und gerade wer in der Hierarchie ganz weit oben steht, kann in der rigiden Zone eingesperrt sein. Als vermeintliches Vorbild darf sich derjenige nicht den geringsten Fehler leisten. Sonst erodiert das ganze Wertesystem, wird behauptet.
    Wie kommt es aber zu dieser Doppel- bzw. Multimoral? Die Antwort lautet schlicht: Weil Werte immer wieder konkretisiert werden müssen, dies aber immer wieder anders ausfallen wird. Konkretisieren heißt in erster Linie, dass jemand mit dem Finger auf einen anderen zeigt und sagt: „Das geht aber nicht.“ Nehmen wir den Leitwert „Transparenz“. Aus ihm folgt keineswegs, dass die Mitarbeiter eines Unternehmens ihre Bürotüren geöffnet halten müssen. Aber – und das ist das Entscheidende: Ich kann mit dem Hinweis auf den Leitwert Transparenz von Ihnen erwarten, dass Sie Ihre Tür offenstehen lassen.
    Das ist aber noch nicht alles. Vielleicht stellen Sie mit Verwunderung fest, dass ich als Ihr Vorgesetzter meine Tür geschlossen halte. Dass für mich Transparenz (unter anderem) darin besteht, dass meine Mitarbeiter ihre Türen geöffnet halten, bedeutet nicht zwingend, dass ich mir ebenfalls in mein Büro schauen lasse. Dazu muss jemand den Wert erst entsprechend konkretisieren. Wenn ich aber der einzige bin, der so etwas tut, ist es durchaus denkbar, dass meine Bürotür nicht weiter in Betracht kommt.
    Dabei soll eines nicht vergessen werden: Diese Ungereimtheiten entspringen keiner bösen Absicht. Es liegt vielmehr in der Natur der Werte, dass es solche Inkonsistenzen gibt – damit sie überhaupt „lebbar“ sind. So hat ein Wert wie Gemeinsinn immer eine Grenze, jenseits derer er nicht mehr oder nur stark abgeschwächt gilt. Manche Evolutionsbiologen meinen sogar, Altruismus und enge Kooperation seien nur entstanden, weil sie gegen andere gerichtet gewesen sind. Doch auch jenseits solcher prinzipiellen Probleme: Sobald Werte in die Wirklichkeit treten, werden sie widersprüchlich. Es liegt in der Natur der Sache, dass mit vielerlei Maß gemessen wird, sobald Werte ins Spiel kommen.
    Wer darf die Werte konkretisieren?
    Es liegt auf der Hand, dass nicht jeder mitreden darf, wenn Werte konkretisiert werden. Vielmehr ist es Ausdruck einer starken Stellung innerhalb der betreffenden Gruppe, wenn Sie festlegen dürfen, was (nicht) wertkonform ist. Jemand, der sich in einem Abhängigkeitsverhältnis befindet, wird selten Gelegenheit haben, den übergeordneten Personen irgendwelche Leitlinien vorzugeben. Aber jemand, der als Führungsfigur auf den Schild gehoben wird, sieht sich oftmals einer Fülle von Ansprüchen gegenüber.
    Und dann gibt es noch den Fall dessen, der sich in der „wertfreien“ Komfortzone wähnt und erst mit einiger Verzögerung (oder nach Abdankung) mit schweren Vorwürfen überzogen wird. Das ändert nichts daran, dass diejenigen, die in einer schwachen Position sind, keine Chance haben, die Werte zu konkretisieren. Das einzige, was ihnen bleibt, ist eine „inoffizielle“ Konkretisierung „von unten“, die im Wesentlichen besagt, dass diejenigen, die Macht haben, sich um Werte nicht scheren.
    Konkretisierung von außen
    Nicht immer sind es nur die Angehörigen der eigenen Gruppe, der „Wertegemeinschaft“, die sich darüber auslassen, was wertkonform ist. Vielmehr machen sich auch Menschen, die der betreffenden Gruppe gerade nicht angehören, darüber Gedanken, wie ein bestimmter Wert konkretisiert werden müsste . „Eigentlich“ müsste ein Unternehmen, das sich auf seine soziale Verantwortung so viel zugute hält, dieses Projekt unterstützen. Aber nein, das tut es nicht. „Eigentlich“ dürfte eine Partei mit einem „C“ oder einem „S“ im Namen nicht die Renten kürzen. Aber siehe da, genau das geschieht. Kurz gesagt, die

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