Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sprache des Feuers - Roman

Die Sprache des Feuers - Roman

Titel: Die Sprache des Feuers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
Vom Netzwerk:
muss, wird die Verhandlung dem Richter zugewiesen, der sie zugewiesen bekommen soll.
    »Tom Casey wird Ihnen was vorjammern, wegen der Ermittlungen eines Schadensregulierers. Er wird Sie bitten, alle Vorermittlungen der Feuerwehr aus dem Verfahren herauszuhalten.«
    »Und?«
    »Mir wäre sehr an einer Ablehnung dieses Antrags gelegen.«
    Bickford schlürft seinen Scotch. Er ist fünfundsechzig, kurz vor der Pension, und Richter verdienen bei weitem nicht so üppig wie beispielsweise Klägeranwälte. Mrs. Bickford hat Hautkrebs ...
    »Liefern Sie mir dafür das Papier?«
    »Das steckt im Koffer.«
    »Wie viele Seiten?«
    »Zwanzig.«
    Bickford stellt sein Glas ab. »Das ist nicht sehr viel.«
    »Standard«, sagt Gordon.
    »Aber für Sie ist es ein großer Fall«, sagt Bickford. »Ich würde denken, der erfordert mehr Papier. Damit jeder Punkt festgeklopft wird.«
    »Zwanzig haben in der Vergangenheit immer gereicht«, sagt Gordon und denkt sich: Fängt der etwa an, zickig zu werden? Ich hab dich in der Hand, mein Guter .
    »Die Vergangenheit«, sagt Bickford, »ist nur ein Schatten. Ein nichtiges Ding.«
    Etwa so nichtig wie mein Geld?, fragt sich Gordon.
    »Vielleicht haben Sie recht«, sagt er, »und es kommt tatsächlich ein anderer Richter an die Reihe.«
    Bickford seufzt. Sich wie eine Hure vorzukommen, damit kann er leben. Aber als billige Hure dazustehen, nagt doch sehr an seinem Selbstwertgefühl. Und doch braucht er das Geld.
    »Zwanzig Seiten dürften für eine überzeugende Argumentation angemessen sein«, sagt er.
    »Schön, dass Sie sich’s überlegt haben«, sagt Gordon. Er leert sein Glas und verlässt das Lokal. Der Koffer steht noch unterm Tisch.
    Richter Bickford bestellt einen Scotch.
    Sitzt lange da, blickt auf die Boote, die an ihren Leinen schaukeln, und träumt von den Zeiten, als er noch an die Justiz glaubte.

89
    »Sind Sie ein guter Schadensregulierer, Mr. Smith?«
    Tom Caseys erste Frage beim Kreuzverhör.
    Eine Frage, die bei den Fachleuten »Eingangsfrage«, heißt.
    Wie eine Eintrittswunde kann die klein, unbedeutend und sogar schmerzlos sein.
    Und ein schlauer Schachzug, wie er ihn von Casey nicht anders erwartet hat. Ein Frontalangriff wäre ungeschickt, denkt Jack, weil die Jury im Moment auf meiner Seite steht, und Casey will sie nicht gegen sich aufbringen. Lieber hält er sich zurück und stellt mir eine Falle.
    »Ich hoffe, dass ich ein guter Schadensregulierer bin«, antwortet Jack.
    Regel Nummer eins für Zeugen im Kreuzverhör: Immer in vollständigen Sätzen antworten, nicht mit ja oder nein. Regel Nummer zwei: Die eigenen Worte gebrauchen, nicht die des Anwalts.
    Casey hat ihm das im Lauf der Jahre beigebracht. Das eigentliche Ziel des Anwalts beim Kreuzverhör besteht darin, die eigenen Aussagen vorzubringen und den Zeugen auf ein Kopfnicken und Kopfschütteln zu reduzieren wie einen Wackeldackel auf der Heckablage eines Autos.
    »Das Kreuzverhör«, hat Casey ihn gelehrt, »dient eigentlich nur der Eitelkeit des Anwalts. Er möchte vor der Jury brillieren. Zeigen, wie clever er ist, wie recht er hat.«
    Casey fragt ihn jetzt: »Und zur Regulierung eines Schadens gehört die Ermittlung des Schadens, stimmt das?«
    »Ja«, sagt Jack. »Wir müssen rausfinden, was passiert ist, was beschädigt oder vernichtet wurde und was es kostet, das zu reparieren oder zu ersetzen.«
    »Und Sie müssen rausfinden, was passiert ist, weil Sie entscheiden müssen, ob der Schaden ersetzt wird. Stimmt das so?«
    »Das ist einer der Gründe«, bestätigt Jack.
    »Halten Sie sich also für einen guten Ermittler?«
    Antwortet Jack jetzt mit Nein, ist er geliefert, daher bleibt ihm nur das Ja, das ihn geradewegs in den Hinterhalt führt.
    »Ja, ich glaube, ich mache meine Sache gut.«
    »Und dazu gehört auch eine gründliche Ermittlungsarbeit, oder?«
    Sie wissen beide, wie das Spiel geht. Casey will Jack dahin bringen, die Messlatte möglichst hoch zu setzen, über die er dann immer springen muss wie ein Hund über einen Stock. Und natürlich soll der so hoch wie möglich sein.
    Also sagt Jack: »Wir müssen die Hinweise auswerten, die uns eine tragfähige Entscheidung ermöglichen.«
    »Sie müssen alle Begleitumstände eines Schadens sorgfältig prüfen und Ihre Entscheidung auf die Analyse dieser Begleitumstände stützen. Ist das zutreffend?«
    »Wir müssen alle relevanten Tatsachen berücksichtigen«, sagt Jack.
    »Also erkennt man einen guten Schadensregulierer daran, dass er alle

Weitere Kostenlose Bücher