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Die Sprache des Feuers - Roman

Die Sprache des Feuers - Roman

Titel: Die Sprache des Feuers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Joysticks.
    »Mr. White hat mir diese Aussage erst vorgelegt, nachdem wir die Regulierung abgelehnt hatten«, sagt Jack.
    »Oh«, sagt Casey. »Was die Aussage des Wachmanns betrifft, haben wir nur Ihr Wort. Ist das korrekt?«
    »Das ist korrekt.«
    »Und Mr. Derochiks beeidigte Aussage haben Sie ignoriert, nicht wahr?«
    »Ich betrachte sie als unwahr.«
    »Ich verstehe.«
    Casey streicht alle Punkte unter TATGELEGENHEIT .
    Und jetzt geht er die Schlussfrage an – das Geschoss hat Jack durchquert, auf die Eintrittswunde folgt die Austrittswunde, und Jacks Blut wird an der Wand verspritzt.
    »Sie haben also«, fasst Casey zusammen, »die unbelasteten Proben ignoriert, sie haben die zurückgezahlten Schulden ignoriert, sie haben den Ausgleich der Kreditkartenkonten ignoriert, Sie haben das Bankguthaben von mehr als einer Million Dollar ignoriert, Sie haben die Versöhnung ignoriert, Sie haben denLiebhaber ignoriert, und Sie haben die Schwester nicht als potenzielle Täterin betrachtet. Glauben Sie immer noch, dass Sie bei dieser Ermittlung Ihre Sache gut gemacht haben, nachdem Sie es versäumt haben, all diese hochrelevanten Umstände zu berücksichtigen?«
    Und wie bei der Eingangsfrage ist es ihm egal, ob Jack mit Ja oder Nein antwortet. Denn Jack sieht jetzt alt aus. So oder so.
    »Ja«, sagt Jack, »das glaube ich.«
    Allerdings sieht er so alt gar nicht aus.
    Auch Casey merkt es. Er muss sich nur die Geschworenen ansehen. Sie wissen nicht, was sie denken sollen. Sie wirken unentschlossen.
    Casey sieht, dass er ein Patt herbeigeführt hat.
    Ein Patt genügt nicht.
    Er muss eine Karte spielen, die er eigentlich im Ärmel steckenlassen wollte.

90
    Letty ist zu Hause, als das Telefon klingelt.
    Sie nimmt ab – eine junge Stimme mit asiatischem Akzent.
    »Ich möchte mit Ihnen reden«, sagt Tony Ky, der Schlaukopf aus der Autowerkstatt.
    »Worüber?«
    Sie weiß schon, worüber, aber sie muss das Spiel mitspielen.
    Nach kurzem Zögern flüstert Tony: »Tranh und Do.«
    So, so, denkt sie. Onkel Nguyen hat sich’s überlegt.
    »Kommen Sie aufs Revier«, sagt sie, um sich eine gute Verhandlungsposition zu sichern.
    Tony muss fast lachen. »Nein, irgendwo ...«
    »Wo es einsamer ist?« fragt sie spöttisch.
    »Ja. Wo es einsamer ist.«
    »Ein bisschen spazieren fahren?«
    »Ja. Ein bisschen spazieren fahren.«
    Sie nennt ihm eine Abzweigung vom Ortega Highway. Mit Picknickplatz und Wanderweg zum Cleveland National Forest. Man parkt unter den Bäumen und macht einen kleinen Ausflug.
    »Da sind Sie um sieben.«
    »Früh um sieben?«
    »Ja. Gewöhnen Sie sich ans Frühaufstehen.«
    Sie legt auf, putzt die Zähne, bürstet ihr Haar, dann kommen die Cremes und Lotions, das ganze Programm. Sie nimmt ihr Buch mit ins Bett – nur ein paar Seiten, bis sie das Licht ausmacht.
    Aber das Einschlafen ist nicht so leicht.
    Zu viel geht ihr durch den Kopf.
    Pamela.
    Der Mord an Pamela.
    Natalie und Michael.
    Und dieser verfluchte Jack Wade.
    Zwölf Jahre, denkt Letty.
    Nach zwölf Jahren sollte es eigentlich vorbei sein, denkt sie.
    Aber es ist nicht vorbei.

91
    »Haben Sie schon mal einen Meineid geleistet?«
    Casey spielt die Karte. Nimmt einen Schluck Wasser und wiederholt die Frage.
    »Mr. Smith! Haben Sie schon mal einen Meineid geleistet?«
    Es ist ganz egal, ob Jack mit Ja oder Nein antwortet. Erledigt ist er in jedem Fall.
    Casey wollte das nicht. Er hatte gehofft, dass Jack im Kreuzverhör in die Knie gehen würde. Dass die Stimmung der Jury umschlagen würde. Aber die Stimmung schlägt noch nicht um, deshalb muss er nun zum K.-o.-Schlag ausholen, obwohl ihm das sehr unangenehm ist.
    Besonders, als er Jack rot werden sieht.
    Jack merkt selbst, dass er rot wird. Immer diese verdammte Scham , denkt er.
    Die Geschworenen sehen es. Beugen sich vor, um nichts zu verpassen.
    Jack spürt ihre sengenden Blicke.
    Emily Peters springt auf.
    »Einspruch, Euer Ehren! Was soll die Frage?«
    »Es geht um die Glaubwürdigkeit des Zeugen, Euer Ehren«, sagt Casey.
    »Die Frage ist polemisch«, sagt Emily Peters.
    Mallon blickt von einem Anwalt zum anderen, dann auf Jack.
    »Einspruch abgelehnt«, sagt er. »Sie können fortfahren.«
    Casey fragt ein drittes Mal: »Mr. Smith, haben Sie schon mal einen Meineid geleistet?«
    Bring’s hinter dich, denkt Jack.
    Steck’s ein.
    »Ja«, sagt er.
    Und lässt es dabei.
    Er wechselt einen langen Blick mit Casey, und Caseys Blick scheint zu besagen: Wärst du doch nur auf dem Teppich geblieben,

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