Die Sprache des Feuers - Roman
nicht die Oxidation starten, die den Tisch in Brand setzt und weiterbrennen lässt.
Wenn wir dem Feuer mehr Brennstoff hinzufügen und damit genügend BTU s entwickeln, kommt der Punkt, bei dem der Tisch zu schmelzen beginnt. Das ist eine Kettenreaktion, Gentlemen – eine chemische Kettenreaktion. Schwierig im Einzelnen zu beschreiben, weil es ein endloser Zyklus von Kettenreaktionen ist, die in ihren Einzelheiten sehr beeindruckend sind. Aber aus praktischen Gründen reden wir hier von Brennstoffmenge, vom Flammpunkt des Brennstoffs und der Wärmeleitfähigkeit des Brennstoffs.
Also, die Menge des Brennstoffs – in korrekter Terminologie die Brandlast. Warum ist es wichtig, die Brandlast eines abgebrannten Gebäudes zu ermitteln? Wenn Sie zum Beispiel einen geschmolzenen Stahltisch in einem abgebrannten Gebäude vorfinden, und die Brandlast des Gebäudes hätte nicht genügend BTU s erzeugen können, um das Metall zum Schmelzen zu bringen, dann entsteht Klärungsbedarf.
Und Sie sollten lieber mitschreiben, weil Sie die Terminologie brauchen, wenn Sie den Test bestehen wollen.«
Jack schreibt mit.
Er will den Test nicht nur bestehen – er will der Beste sein.
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Deshalb muss er gewisse Begriffe auswendig lernen.
Wie Brandlast.
Die Brandlast sind die potenziellen BTU s pro Quadratfuß des fraglichen Gebäudes. Man errechnet sie, indem man die Gesamtmasse des Gebäudes ermittelt und mit den gesamten BTU s der verwendeten Materialien multipliziert – 8000 BTU s pro ein Pfund Holz, 16 000 BTU s pro ein Pfund Plastik usw. usw.
Unterschiedliche Materialien erzeugen unterschiedliche Wärme. Holz etwa 8000 BTU s, Kohlen etwa 12 000 BTU s, brennbare Flüssigkeiten zwischen 16 000 und 21 000 BTU s.
Ein weiterer Terminus: die Wärmefreisetzungsrate. Das ist die Geschwindigkeit, mit der ein Feuer zunimmt, und sie hängt von dem Brennstoff ab, von dem es zehrt. Manche Materialien brennen schnell und heiß, andere eher langsam. Die Wärmefreisetzungsrate wird in BTU s pro Sekunde gemessen – eine Energie, die auch in Kilowatt angegeben wird. Ein Müllsack, der mit den üblichen Abfällen gefüllt ist, liefert zwischen 140 und 350 Kilowatt, ein Fernsehapparat etwa 250 , eine Petroleumpfütze von zwei Quadratfuß Größe etwa 400 . Petroleum erzeugt ein schnelles, heißes Feuer.
Jack lernt, dass Brandlast nicht gleich Brandlast ist, sondern in tote und lebende Brandlast unterteilt wird. Die tote Brandlast ist die Gesamtmasse des Bauwerks mit allen festen Einbauten. Die lebende Brandlast ist die Gesamtmasse aller beweglichen Gegenstände im Bauwerk – Möbel, Geräte, Kunstwerke, Spielsachen, Menschen und Haustiere. Die Ironie liegt darin, dass die »lebende Brandlast« nach einem Brand mit ziemlicher Sicherheit tot ist.
Die Wärmeleitfähigkeit ist sozusagen die Wärmemenge, die eine brennende Substanz abgibt. Manche Substanzen halten einen Großteil ihrer Wärme fest, manche übertragen sie auf andere Substanzen. Jack lernt, dass ein Feuer auf Substanzen mit hoher Wärmeleitfähigkeit treffen muss, damit es sich ausbreiten und seine BTU s steigern kann. Papier zum Beispiel besitzt eine hohe Wärmeleitfähigkeit, während Wasser die Wärme eher schluckt, als sie weiterzuleiten. Die Luft ist wiederum sehr wärmeleitfähig, weil sie 21 Prozent Sauerstoff enthält, daher breiten sich die meisten Gebäudebrände durch Konvektion aus, worunter man die Wärmeübertragung durch ein zirkulierendes Medium – gewöhnlich Luft – versteht. Brände klettern von unten nach oben, weil oben die Luft ist.
»Das Wichtigste ist der Brennstoff«, doziert Fuller. »Sag mir, was du isst, und ich sage dir, wer du bist. Bei Bränden ist es nicht anders. Aus der Brennstoffmasse oder Brandlast eines Bauwerks kann man die Schwere des Brandes, den Brandherd, die Ausbreitungsrichtung und -geschwindigkeit, die Branddauer ermitteln.«
Jack bekommt ein A im Chemietest.
Während er die Tests zurückgibt, steigert sich Fuller zu neuen rhetorischen Höhenflügen.
»Also«, fragt er. »Was passiert bei einem Feuer? Es verläuft genau nach der Dramenkurve eines klassischen Dreiakters, Gentlemen. Und zwar im Rhythmus einer Liebesaffäre: Oxidation, erster Akt: die Schwelphase. Die Liebeswerbung, wenn Sie so wollen, die chemische Reaktion zwischen dem Sauerstoff und festen Molekülen, wobei der Sauerstoff versucht, Wärme in der Festmaterie zu erzeugen. Die Werbephase kann einen Sekundenbruchteil dauern – wenn es eine heiße Affäre mit Benzin
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