Die Sprache des Feuers - Roman
doch, ist es besser für ihn, sich eine Beule zu holen, als sich vor aller Augen raustragen zu lassen.
Damit die Sache noch lustiger wird, werden sie von den Feuerwehrleuten mit dem Schlauch bespritzt, so dass Jack, als er unten ankommt, halb erstickt, halb blind, versengt, verbeult und voll durchnässt ist.
Der ganze Kurs liegt auf dem Beton verstreut, inmitten der Pfützen, aber alle sind glücklich, dass sie noch atmen und nicht brennen, als Fuller kommt und sie in Augenschein nimmt.
Er zündet sich eine Zigarette an und zeigt ebenfalls dieses gemeine Schmunzeln. »Irgendwelche Fragen?«
Jack hebt die Hand.
»Mr. Wade?«
»Darf ich noch mal rein?«, fragt Jack.
Ja, die Feuerwehrschule.
Ein irrer Ritt.
Besser als jeder Vergnügungspark.
14
Dass eine Schule so viel Spaß machen kann, ist ihm fast unheimlich.
Er büffelt, was das Zeug hält, und am Abend trinkt er ein paar Bierchen mit den anderen.
Nach der Feuerchemie kommt die Bautechnik. Diesmal kein irischer Professor, sondern einer von hier, studierter Bauingenieur und der klassische Bauunternehmer: glatt zurückgekämmtes Haar wie in den Zeiten der Großen Depression, weißes Hemd mit kurzen Ärmeln und in der Brusttasche stecken Drehbleistift und Winkelmesser.
Aber der Knabe weiß Bescheid.
Das ist der leichte Teil der Ausbildung für Jack, weil er ja vomBau kommt. Jedes Fachwort, das an der Tafel erscheint, ist bei Jack schon abgehakt. Jetzt geht es nicht um Sex, Chemie, antike Dramen, sondern um Gauben, Fallrohrschellen, Fensterstützbalken, Unterzüge, Türstürze. Jetzt geht es um Treppenpfosten, Hängesäulen, Dachbalken und Wandverkleidungen, alles Sachen, die ihm sein Vater auf die harte Tour beigebracht hat. Was bedeutet, das Zeug ranzuschleppen, reinzubauen, falsch reinzubauen, wieder rausgerissen zu kriegen und alles von vorn zu machen. Jack weiß also genau, wovon der Baumensch spricht.
Als Nächstes fahren sie zu einem Rohbau, der in einem riesigen alten Wellblech-Hangar aufgestellt ist.
Das Ding sieht aus wie ein Saurierskelett im Museum.
Ein kleines Haus mit Gaubenfenstern, die eine Hälfte im Rohbau, die andere fertiggestellt mit Wänden, Schindeln, Türen und Fenstern und allem drum und dran.
Als Erstes müssen die Studenten jedes Holzteil in der Skelett-Hälfte benennen – Türstock, Ständer, Kehlbalken –, dann die Holzsorte und das Format bestimmen – Kiefer, 3 x 6 Zoll, 2 x 4 Zoll und so weiter und so fort. Und als das alle beherrschen, geht es zur fertigen Haushälfte, jetzt kommen die Fensterrahmen dran, die Glassorten, die Deckleisten, die Geländerpfosten, all das Zeug, das zur »toten Brandlast« gezählt wird, Nahrung für das Feuer.
Jack meistert auch die Bautechnik mit Bravour.
Nun geht es zu den Geräten, die in einem großen leeren Lagerhaus mit zahllosen Feuerlöschern aufgereiht sind, und sie legen Feuer unter Fernsehern, Mixern, Radios, Weckern und was es noch so gibt. Sie lernen, wie sich diese Geräte unter verschiedenen Hitzegraden verhalten. Was ein bisschen blöd ist, denn sie wollen schließlich löschen und nicht kokeln lernen. Wer eine halbe Stunde lang die Fernbedienung gequält hat, ohne eine anständige Sendung zu finden, hat vielleicht Lust, seinen alten 22 -Zoll-Panasonic abzufackeln, aber Jack lernt nun, dass man dafür eine ganze Menge Hitze aufbauen muss.
Sie versuchen also den ganzen Tag, Dinge anzuzünden, und abends brütet Jack über den Büchern. Jetzt gibt’s keine strapaziöse Praxis mehr, dafür wird die Theorie immer härter, und wer eine Prüfung verhaut, kann einpacken. Die Jungs machen schlapp wie dicke Männer beim Marathon. Reihenweise.
Jack schlägt sich halbe Nächte um die Ohren, um sich das Ohmsche Gesetz einzupauken (»Stromstärke gleich Spannung durch Widerstand«) oder sich den Zündpunkt von Magnesium einzuprägen ( 1200 Grad Fahrenheit) oder wie lange man ein Zweizollbrett einer Temperatur von 4500 Grad Fahrenheit aussetzen muss, damit es brennt ( 45 Minuten).
Den ganzen Tag werden Elektroingenieure auf sie angesetzt, Brandspezialisten, Heizungsbauer, sogar Juristen, so dass Jack in den Nächten nicht nur das Explosionsverhalten von Methan studiert, die Zündtemperatur von Magnesium und die Zerlegung von Zellulose über offener Flamme (C 6 H 10 O 6 + 6 O 2 = 5 H 2 O + 6 CO 2 + Wärme), nein, auch die Bedeutung der Prozesse Michigan gegen Tyler, und The People gegen Calhoun und dazu die Bundesgesetzgebung im Beweisrecht, betreffend die Sammlung und
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