Die Sprache des Feuers - Roman
oder Petroleum und einem anderen flüssigen Brandbeschleuniger ist, den leichten Mädchen an der entflammbaren Straßenecke, könnte man sagen. Oder, um die Metaphern zu wechseln, flüssige Brandbeschleuniger sind die Aphrodisiaka der Werbephase. Sie sind die legendäre Spanische Fliege, das betörende Glas Wein, der Herrenduft, die Platinum Card, die ganz zufällig neben der Couch liegt. Diese Dinge können die Leidenschaft im Nu entfachen.
Aber die Schwelphase kann auch Stunden oder gar Tage dauern. Das brennbare Material muss hofiert und verwöhnt werden, zum Essen ausgeführt, ins Kino eingeladen werden. ›Komm am Sonntag zum Dinner, meine Eltern möchten dich gern kennenlernen.‹ Das Feuer ist ein geduldiger Verführer! Mit Ausdauer versucht es, ein bisschen Hitze zu erzeugen, und wenn es genügend Luft bekommt, hält es durch. Ein Kuss in den Nacken, ein Griff unter die Bluse, eine Fummelei im Autokino, immer baggern, baggern, baggern, Gentlemen, bis die spröde Materie weich wird, sich verflüssigt und in brennendes Gas verwandelt. Eine tastende Hand unterm Rock, die versucht, den Zündpunkt herbeizuführen ... und dann:
Zweiter Akt, die Brandentwicklung. Der Zündpunkt ist erreicht. Jetzt bricht das Feuer aus, flammende Leidenschaft, Gentlemen. Das erhitzte Gas ist leichter als Luft, es steigt auf wie ein Zeppelin. Es reißt den Sauerstoff an sich und staut sich an der Decke. Ist es heiß genug, entflammt es die Deckenmaterialien, es kann auch ein Loch ins Dach schlagen, um an die würzige Frischluft heranzukommen. Die heißen Gase strahlen ihre Hitze auch nach unten ab und entflammen Gegenstände, die sich unter ihnen befinden. Weshalb es passieren kann, dass erst die Zimmerdecke brennt und dann die Möbel.
Es hängt alles nur vom Brennstoff ab, Gentlemen. Ist er eine kühle Blondine mit hohem Flammpunkt und niedriger Wärmeleitfähigkeit, dann erkaltet die Beziehung wegen mangelnder Leidenschaft. Sie können machen, was Sie wollen, Gentlemen, die frigide Zicke springt nicht an. Oder ist sie eine heiße Nummer? Niedriger Flammpunkt, hervorragende Wärmeleitfähigkeit? Dann bleiben Sie dran, dann geht die Post ab. Ist sie heiß genug, erreicht Ihr Feuer schnell die kritische Temperatur. Die Hitzestrahlung an der Decke übersteigt den Zündpunkt aller Gegenstände im Raum, und jetzt fangen die Feen an zu tanzen.
Was meine ich mit dieser esoterischen und etwas weibischen Bezeichnung? Kurz vor dem Flashover, der Durchzündung, Gentlemen, sehen Sie, wie sich kleine Gasflämmchen in der Luft entzünden. Das sind die tanzenden Feen, und wenn man die sieht, ist es Zeit, den Rückwärtsgang einzulegen, Gentlemen. Denn die tanzenden Feen kündigen den dritten Akt an – Wuuusch! –, die Flashover-Phase. Alle brennbaren Oberflächen erreichen den Zündpunkt, und jetzt ist das Feuer völlig außer Kontrolle. Eine rasende Leidenschaft, die alles verschlingt. Nichts kann ihr widerstehen, alles Brennbare macht die Beine breit und ergibt sich der Feuerorgie. Die Hitze steigt mit der Luft nach oben, sie strahlt nach unten ab und wird seitlich durch Wärmeleitung übertragen. Sie wütet in alle Richtungen. Bei jedem Temperaturschritt von etwa zehn Grad verdoppelt sich die Wärmeintensität. Die Hitze beschleunigt das Feuer, die Beschleunigung steigert die Hitze. Das ist der Orgasmus, Gentlemen, der ekstatische Höhepunkt der Affäre. Das Feuer brüllt und tobt und stöhnt und röchelt. Es heult wie tausend Furien und brennt, bis nichts Brennbares mehr da ist – oder jemand kommt, der es löscht.«
»Und jetzt rauchen wir erst mal eine.«
Er zündet sich eine Zigarette an und lehnt sich in einer Parodie sexueller Erschöpfung an den Tisch. Nach ein paar Zügen fasst er zusammen: »Also drei Phasen, Gentlemen: Die Schwelphase, die Brandentwicklung und der Flashover. Die erste Phase kommt oft zum Stillstand, aus Mangel an Energie, aus Mangel an Sauerstoff, die zweite Phase kann durch beherztes Eingreifen gestoppt werden, doch für die dritte Phase, den Flashover, gilt nur eines: Macht die Schotten dicht!
Was ist also ein Feuer? Eine trockene chemische Interaktion von Molekülen. Ein Dreiakter mit oftmals tragischem Ausgang. Eine Metapher für Sex, die auch unseren Sprachgebrauch beherrscht: eine ›flammende Leidenschaft‹. ›Du machst mich ganz heiß, Baby!‹ Die stereotype Verführungsszene auf dem Bärenfell vor dem lodernden Kaminfeuer. Ein Feuer, das nur durch Absonderung kühlender exothermischer
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