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Die Sprache des Feuers - Roman

Die Sprache des Feuers - Roman

Titel: Die Sprache des Feuers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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dass sie einen Teppichreiniger meint. Sie und Nicky rennen in die Küche. Sie schreien herum, als würde das Haus brennen, denkt Jack.
    Michael steht auf, geht hinüber zu einem der Ohrensessel, beugt sich förmlich vor und beginnt zu schluchzen.
    Jack weiß nicht, was er tun soll. Er legt seine Papiere weg, geht zu dem Jungen hinüber und nimmt ihn in den Arm.
    Michael drückt sich an seine Brust und klammert sich an ihm fest.
    »Nächstes Mal«, sagt Jack zu ihm, »bittest du um Traubensaft.«
    Natalie blickt zu Jack auf. »Daddy sagt, Mama ist ganz und gar ... verbrannt.«
    Ihre Stimme klingt brav.
    Mama ist ganz und gar verbrannt.

23
    Hector Ruiz hat das schon zigmal durchgezogen, kein großes Ding.
    Ein ganz normaler Arbeitstag.
    Er fährt einen Aerostar-Van mit sechs Leuten hinten drin undfolgt Martin, der gerade in die Auffahrt zur 110 eingebogen ist. Im Rückspiegel sieht er, dass Octavio direkt hinter ihm ist, da, wo er hingehört, in seinem kackbraunen 89 er Skylark, und das ist gut so, denn Octavio ist die Hauptfigur bei diesem Stunt.
    Wenn Octavio Mist baut, kann es Ärger geben.
    Aber Octavio baut keinen Mist.
    Octavio ist ein Player .
    Genauso wie Jimmy Dansky, der für einen Gringo ziemlich zuverlässig ist. Dansky fährt – zumindest sollte er das – auf der rechten Spur der 110 in Richtung Süden, in einem schwarzen 95 er Camaro, und Dansky ist ein sauguter Fahrer, was er auch sein muss, denn bei diesem Stunt kommt es auf die Sekunde an.
    Hector sieht auf den Tacho und drosselt das Tempo auf 50  kmh.
    Sieht, wie Martin seinen Toyota Corolla beschleunigt, um sich in die Autobahn einzufädeln.
    Im selben Moment, in dem Danskys Camaro nach rechts schwenkt, auf die Einfädelspur.
    Dansky drückt auf die Hupe.
    Martin steigt auf die Bremse.
    Hector steht schon auf der Bremse, reißt das Steuer nach rechts und streift knapp Martins rechte hintere Stoßstange.
    Sieht in den Spiegel, und da kommt auch schon Octavio.
    Reifen quietschen.
    Und BUMS .
    Octavio ist absolute Spitze.
    Octavio ist der Einzige, mit dem Hector solche Dinger drehen würde, weil es bei Octavio gewaltig knallt, auch wenn er nur mit 15 Sachen unterwegs ist. Und eine Bremsspur hinterlässt wie ein F - 16 bei der Landung auf dem Flugdeck. Bei minimalem Aufprall.
    Sanft wie ein Kuss, möchte man sagen.
    Die zwei Autos allerdings bieten einen traurigen Anblick. Und zwar deshalb, weil Hector und Octavio die Stoßstangen schonvorher in der Werkstatt zerbrochen und dann wieder angebracht haben. Alles frisch lackiert und so weiter, denn schließlich sind sie Profis.
    Hector in seinem Van brüllt nach hinten: »Die Show beginnt!«
    Er steigt aus, läuft auf Octavio zu, beschimpft ihn auf Spanisch, und Octavio schimpft zurück. Die sechs Jungs aus Sinaloa, die im Van sitzen, fangen an zu jammern und zu stöhnen: Au, mein Kopf, mein Hals, mein Rücken!
    Der Arzt wird mittelschwere Prellungen feststellen und sie über Monate behandeln. Eine Physiotherapie verordnen, Ultraschall, Massagen und chiropraktische Behandlungen und all den anderen Kram, der dann nicht wirklich ausgeführt wurde, sondern nur auf dem Papier stand.
    Hector brüllt Octavio an: »Lassen Sie sich doch versichern, Mann!«
    »Ich bin versichert!«, brüllt Octavio zurück.
    »Ach ja? Und bei wem?«
    Octavio holt seine Karte raus.
    Wie American Express, nur besser. Mit dieser Karte zahlt man kein Geld, mit dieser Karte macht man Geld.
    »California Fire and Life!«, brüllt Octavio.
    Diese Nummer haben sie schon zigmal durchgezogen.
    Ein ganz normaler Arbeitstag.
    24
    Mama ist ganz und gar verbrannt.
    Jack ist so fassungslos, dass er sich fragt, ob er weiterfahren kann oder erst mal tief durchatmen muss.
    Das Schicksal der Pamela Vale trifft ihn wie ein Schlag in den Magen. Die Ehe gescheitert, die Kinder aus dem Haus geholt und zur Alptraum-Oma gebracht. Wodka und Zigaretten trösten sieüber die Einsamkeit hinweg und verschaffen ihr eine längere Auszeit, als gewünscht.
    Aber sie ist ja nicht die Einzige, die auf traurige Weise umgekommen ist, sagt er sich. Warum geht mir die Sache so nahe?
    Weil da noch mehr ist außer der betrunkenen Pamela, die in ihrem Bett verbrannt ist. Da ist Bentley, der ihm zehn Minuten lang erzählt, dass es ein Unfall war. Da ist der trauernde Gatte, der als Erstes nach seinem Geld fragt, da ist die analfixierte Megäre, die ihrem verwitweten Sohn und ihren mutterlosen Enkeln eine Wuchermiete abknöpfen will. Da sind die Kinder, deren Mutter trinkt,

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