Die Sprache des Feuers - Roman
deren Oma so warmherzig ist wie ein Stahllineal und deren Windhund von Vater seinen Kindern erzählt: Mama ist ganz und gar verbrannt.
Und da ist der Verdacht, der in ihm schwelt. Der rußbedeckte Glassplitter, der ausgesperrte Hund, die blutroten Flammen, der schwarze Rauch ...
Daddy sagt, Mama ist ganz und gar verbrannt.
Nennen Sie mich Nicky, hat er gesagt.
Ich nenne dich Perverses Monster, weil du deinen Kindern so was erzählst.
Sei doch ehrlich, sagt sich Jack. Du findest ihn nur deshalb so widerlich, weil er Bauunternehmer ist. Einer von den typischen Achtzigerjahre-Fuzzis, die einen Riesenreibach machen, indem sie die ganze südkalifornische Küste mit ihren Drecksbauten verschandeln. Die Hügel abrasieren und billige, schlampig gebaute Eigenheimsiedlungen und Wohnanlagen draufklotzen.
Das ist dein verkacktes Kalifornien, Nennen-Sie-mich-Nicky! Du stampfst dir dein Kalifornien aus dem Boden und machst mir meins kaputt.
Jetzt begreift er auch, warum Nicky sich so stark macht für Rettet die Strände. Ein Bauunternehmer, der gegen das Bauen kämpft. Ist ja klar, sein Haus überragt die ganze Küste und bietet ein irrsinniges Panorama. Allein das Panorama ist Millionen wert. Wer will schon durch Nachbarn den Blick verstellen lassen? Dieses Kalifornien gehört mir !
Scheiße.
Als ob du einen Deut besser wärst.
Du bist doch genauso, ob mit oder ohne Kohle.
Schieb es nicht auf Nicky Vale.
Du bist doch nur wütend auf dich selbst, denkt Jack.
Dass dein Leben daraus besteht, in der Asche zu stochern und Trümmer zusammenzusetzen: So kann es gewesen sein, so kann es nicht gewesen sein.
Trümmer zusammensetzen.
»Du solltest dich mal reden hören«, denkt er.
Wirklich peinlich. Das pure Selbstmitleid.
Kalte Asche.
Jack, der gefeierte Brandspezialist, ein ausgebrannter Fall.
Wenn das kein Witz ist.
Sein Handy klingelt.
»Eigentlich dürfte ich dir das nicht sagen«, sagt die Stimme.
Aber ...
25
Eine Stimme aus der Vergangenheit.
Aus der Zeit nach der Feuerwehrschule, als er beim Branddezernat der Polizei angefangen hatte.
Jack war der kommende Mann, ein Aufsteiger mit Starpotenzial.
Er stürzte sich in die Arbeit, besuchte jeden Fortbildungskurs, besichtigte sogar Brände, für die er gar nicht zuständig war. Seine Kollegen witzelten schon, sie würden nicht mehr wagen, in ihrem Garten einen Burger zu grillen, vor lauter Angst, dass Jack auftauchte, um den Brandherd zu suchen.
Und Jack, er denkt, er hat sein Leben jetzt im Griff.
Er wohnt in einem Trailer am Capo Beach, nur zehn Minuten von Trestles, zehn Minuten von Dana Strands und zwanzig Minuten von Three Arch Bay, und wenn die Zeit knapp ist, muss er nur über die Straße gehen und kann am Capo Beach surfen. Er fährt einen 66 er Mustang, der erstklassig in Schuss ist, er hat ihn nur ein bisschen gespachtelt, gelb lackiert, eine Stereoanlage eingebaut und einen Dachträger aufgeschraubt.
Mit dem Mustang fährt er eines Tages zum Schauplatz eines Brandanschlags, und dort, vor dem Jüdischen Gemeindezentrum, steht das, was seinem Leben bisher gefehlt hat.
Letitia del Rio.
Es ist ziemlich unmöglich, in einer Polizeiuniform gut auszusehen, aber Letty schafft es spielend. Das schwarze Haar ein wenig länger als Vorschrift, goldbrauner Teint, schwarze Augen und eine Figur, die keine Wünsche offenlässt.
»Das sollte nicht schwer sein«, sagt sie zu Jack, als er näher kommt. Sie zeigt mit dem Kinn auf einen Skinhead, der gerade in einen Krankenwagen verladen wird. »Adolf jr. hat einen Molly geworfen und Feuer gefangen.«
»Die denken, was brennt, ist die Flüssigkeit, aber es sind die Dämpfe«, sagt Jack.
»Weil sie in der Schule schlafen.«
Jack schüttelt den Kopf. »Weil sie bekloppt sind.«
»Das auch.«
Zwei Minuten später hört er sich eine Einladung aussprechen.
»Wie bitte?«, fragt sie.
»Ich glaube, ich hab dich zum Essen eingeladen«, sagt er.
»Was du glaubst, ist mir egal.«
»Würdest du mit mir essen gehen?«
»Ja.«
Jack räumt sein Konto ab und geht mit ihr ins Ritz-Carlton.
»Du willst wohl Eindruck schinden?«
»Und ob!«
»Find ich gut«, sagt sie.
Beim nächsten Date besteht sie auf MacDonald’s mit anschließendem Kinobesuch.
Beim dritten Mal kocht sie mexikanisch, und er hat in seinem Leben noch nie etwas so Gutes gegessen. Er sagt es ihr.
»Das steckt in den Genen«, sagt sie.
»Sind deine Eltern aus Mexiko?«
Sie lacht. »Meine Vorfahren wohnten schon in San Juan Capistano, als es noch
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