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Die Sprache des Feuers - Roman

Die Sprache des Feuers - Roman

Titel: Die Sprache des Feuers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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war ich wahrscheinlich noch auf der Toilette.«
    Jack stellt noch ein paar Fragen und bittet Nicky um seine Steuerbescheide und Bankbelege.
    »Wozu?«, fragt Nicky.
    Weil ich wissen will, warum du dein Haus angezündet hast, denkt Jack.
    »Reine Routine«, sagt Jack.
    »Glauben Sie etwa, ich hätte das Haus angezündet?«, fragt Nicky. »Ein Fall von ›jüdischem Abriss‹, wie man hier sagt?«
    »Ich glaube gar nichts«, erwidert Jack und blickt ihm in die blauen Augen.
    Mutter meldet sich zu Wort: »Dasjatnik, willst du nicht die Kinder holen?«
    Dasjatnik geht die Kinder holen.
    Mutter setzt ihr eisigstes Lächeln auf und sagt zu Jack: »Vielleicht sollte ich über die Sache mit der Unterkunft und Verpflegung noch einmal nachdenken.«
    »Das müssen Sie mit Ihrem Sohn regeln, Mrs. Valeshin«, sagt Jack.
    Er sieht, wie es in ihr arbeitet.
    Dann sagt sie: »Vielleicht drei tausend Dollar ...«
    Jack denkt nur noch ans Surfen. An die Ozeanwellen, die über ihn hereinbrechen und das alles von ihm abwaschen werden.
    »Haben Sie Kinder, Mr. Wade?«, fragt Mutter.
    »Nein«, sagt er, »weder Frau noch Kinder.«
    »Warum nicht?«
    Jack zuckt die Schulter. »Ich bin ein Einzelgänger.«
    Ich arbeite, ich surfe, ich bastle an meinen Longboards. Sonntags mache ich die Wäsche.
    »Wenn Sie Kinder haben«, sagt sie, »verstehen Sie das Leben. Wenn Sie Enkel haben, verstehen Sie die Ewigkeit.«
    Das Leben verstehen – ich weiß nicht, ob ich das aushalte, denkt Jack. Oder gar die Ewigkeit.

22
    Ein herzzerreißender Anblick.
    Jack spürt einen kleinen Stich in der Brust.
    Die siebenjährige Natalie und der vierjährige Michael.
    Beide von väterlichen Händen umfangen, ein anrührendes Bild. Das kleine Mädchen hat die blauen Augen des Vaters, jetzt rot und verquollen vom Weinen. Schwarzes Haar, zum Zopf geflochten. Dazu ein Röckchen in gelbem Schottenkaro. Der Junge hat braune Augen, und was für welche! Auch er ist proper gekleidet: himmelblaues Polohemd und weiße Tennisshorts.
    Anziehpuppen, denkt Jack.
    »Sagt hallo zu Mr. Wade«, befiehlt ihnen Mutter.
    Sie murmeln einen Gruß. Höflichkeit muss sein, auch wenn sie gerade ihre Mutter verloren haben.
    Jack ist beklommen zumute. Was soll er sagen? »Ich habe euch Leo gebracht«, sagt er. »Es geht ihm gut.«
    Die Kinder freuen sich kurz und werden wieder ernst.
    »Er ist draußen«, sagt Jack.
    Sie bleiben stehen, ohne sich zu rühren.
    Aber es sind nicht Daddys Hände auf ihren Schultern, die sie festhalten. Es sind die Augen ihrer Großmutter.
    Sie benehmen sich, wie es von ihnen erwartet wird.
    Nur nicht so, wie ich es erwarten würde, denkt Jack. Ich würde erwarten, dass sie losrennen, den Hund holen und ans Herz drücken.
    Sie stehen starr wie Statuen.
    »Jetzt gibt es Tee«, sagt Mrs. Valeshin. »Tee für die Erwachsenen, Limonade für die Kinder.«
    Sie geht und kommt mit einem Tablett zurück. Ein Krug mit Eistee, ein zweiter mit Limonade, fünf Gläser. Sie stellt das Tablett auf dem Couchtisch ab, gießt ein und setzt sich.
    Natalie und Michael setzen sich zu Jack aufs Sofa. Er bemerkt, dass sie es genauso machen wie er: sie sitzen auf der Sofakante und versuchen, das Polster möglichst nicht durchzudrücken.
    Schauen geradeaus.
    Der Tee ist süß, stellt Jack fest. Stark und sehr süß.
    Alle sitzen stumm da, wie gebannt.
    Bis Mrs. Valeshin das Schweigen bricht. »Ich erhöhe dir die Miete, Dasjatnik«, sagt sie.
    Als wäre das ein gelungener Scherz.
    »O Mutter!«
    »Warum sollen wir die Versicherung so billig davonkommen lassen? Nicht wahr, Mr. Wade?«
    »Wir zahlen, was wir Ihnen schulden, Mrs. Valeshin.«
    »Und wie heißt Ihre Versicherung?«
    »California Fire and Life.«
    »Vielleicht sollte ich zu Ihnen wechseln«, sagt sie. »Ich bin jetzt bei Chubb.«
    »Eine gute Wahl.«
    Jack würde lieber Toilettenreiniger trinken, als hier einen Schaden zu regulieren.
    Dann verschüttet Michael seine Limonade.
    Hebt das Glas und will trinken, doch er verfehlt seinen Mund. Die Limonade läuft über sein Hemd, seine Hose, aufs Sofa.
    »Michael!«, brüllt Nicky, und Michael lässt das Glas fallen, auf den weißen Teppich.
    Jetzt ist die Hölle los. Der coole Nicky rastet aus.
    Total.
    Du Idiot! , brüllt er Michael an. Michael sitzt wie gelähmt in seiner Limonadenpfütze, und Natalie lacht hysterisch. Halt die Klappe! , brüllt er sie an. Hebt die Hand, und sie verstummt.
    Mutter schreit immerzu Pronto! , Pronto! , und Jack braucht einen Moment, bis er kapiert,

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