Die Sprache des Feuers - Roman
Art sind die Beweise?«
Jack nickt. »Mr. Kuhl hat einen Benzinkanister mit seinen Fingerabdrücken am Tatort hinterlassen.«
Die Geschworenen hören gebannt zu.
»Hat Mr. Kuhl unter Druck ausgesagt?«
Jack strahlt. »Nein.«
Jetzt ruft der Ankläger Kuhl auf, der in seinem orangefarbenen Overall schon wie ein richtiger Sträfling aussieht. Kuhl sitzt im Bezirksgefängnis und erwartet seinen eigenen Prozess, also hängt einiges von seiner Aussage ab. Wenn er Azmekian nicht belasten kann, wird ihm der tote Wachmann angehängt. Nachdem der Kleinkram abgehakt ist, holt der Ankläger zum großen Schlag aus:
»Haben Sie den Brand im Teppichlager Atlas gelegt?«
»Nein.«
Goddamn Billy sitzt auf der Galerie und verschluckt fast sein Gebiss, denn er hat Azmekians Schadensforderung abgelehnt und sich dabei auf Kuhls Aussage gestützt. Azmekian hat natürlich gegen den Bescheid geklagt, der Zivilprozess soll in drei Monaten steigen. Und der wird zum Freudenfest, wenn Azmekian in Fußketten vor den Richter treten muss.
Auch der Ankläger ist nicht begeistert. Er schluckt und stellt eine Frage, die in den Justizzirkeln von Greater Orange County noch lange für Gesprächsstoff sorgen wird:
»Wirklich nicht?«
»Nö.«
Der Ankläger geht an seinen Platz zurück, wühlt in den Akten. Stößt auf Kuhls Geständnis und liest es laut vor. Dann fragt er: »Haben Sie dieses Geständnis geschrieben und unter Eid beglaubigt?«
»Ja«, sagt Kuhl und macht eine dramatische Kunstpause. »Aber es war gelogen.«
Jack spürt, wie ihm alles wegrutscht, seine Karriere in den Keller geht, in der tiefsten Kloake landet.
»Keine weiteren Fragen«, krächzt der Ankläger.
Azmekians Verteidiger jedoch hat Fragen.
»Mr. Kuhl, Sie sagen, Sie hätten in Ihrer Aussage gelogen.«
»Ja.«
»Warum haben Sie gelogen?«
Kuhl grinst zu Jack hinüber. »Weil mich Officer Wade zu Brei geschlagen hat.«
Und erzählt genüsslich, Wade habe ihm noch viel Schlimmeres angedroht, wenn er sich weigere, Azmekian zu belasten, worauf er alles gesagt habe, was Wade von ihm hören wollte. Dabei kenne er Azmekian gar nicht. »Nein, Sir, ich habe ihn noch nie zuvor gesehen.«
Jack sitzt da und fragt sich, wer Kuhl umgedreht hat. Wer ihn so erschreckt haben könnte, dass Kuhl auf seinen Deal pfeift und lieber die Mordanklage in Kauf nimmt.
Dann hört er den Verteidiger fragen: »Befindet sich Officer Wade hier in diesem Gerichtssaal?«
»Klar doch«, sagt Kuhl. »Da drüben sitzt er, der Wichser.«
Wie zu erwarten, bricht die Hölle los.
Der Richter hämmert auf sein Pult, der Verteidiger beantragt Abbruch der Verhandlung, der Ankläger fordert Kuhls sofortige Verhaftung wegen Meineids, der Verteidiger fordert Jacks sofortige Verhaftung wegen Meineids, der Gerichtsdiener flüstert Kuhl zu: »Wenn Sie Wichser vor Gericht noch einmal das Wort Wichser verwenden, schlage ich Ihnen im Transporter die Fresse ein«, Kuhls Anwalt beantragt Nichtigkeitsklage, der Richter sagt, das wird es mit ihm nicht geben, und ehe sich Jack versieht, hat der Richter die Geschworenen hinausgeschickt und ein Beweisverfahren eröffnet, in dem Jack als Hauptzeuge auftreten muss.
Kammerrichter Dennis Mallon ist stocksauer.
Er hat den finsteren Verdacht, dass hier jemand aus der Reihe tanzt und dass dieser Jemand Officer Wade ist. Also beordert er Jack vor den Richtertisch, erinnert ihn daran, dass er nach wie vor unter Eid steht, und fragt ihn nicht sehr freundlich: »Officer, haben Sie die Aussage dieses Zeugen erzwungen ?«
Jacks Problem – na ja, eins von vielen – besteht darin, dass er keine Bedenkzeit hat. Wäre er erfahrener, würde er auf sein Recht der Aussageverweigerung pochen, womit er den Prozess beerdigt, seinen eigenen Arsch aber wahrscheinlich gerettet hätte. Doch Jack sieht die Sache anders. Er sieht sich in der Pflicht, seinen Zeugen zu schützen. Er sieht auch, dass seine und Bentleys Aussage gegen die eines Berufsverbrechers und kapitalen Drecksacks steht, dass sie gegen einen Kerl antreten, der sich einen Teddybär mit Erektion auf den Oberarm tätowiert hat. Und er beschließt, die Sache durchzustehen.
»Nein, Euer Ehren.«
»Entspricht die Aussage von Mr. Kuhl in irgendwelchen Punkten der Wahrheit?«
»Nein, Euer Ehren.«
Der und ich, wir lügen beide wie gedruckt, Euer Ehren.
Richter Mallon knurrt, und Kuhls Anwalt bittet um eine Unterredung. Jetzt stecken der Richter, der Ankläger und der Anwalt die Köpfe zusammen. Flüsternd und zischelnd
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