Die Sprache des Feuers - Roman
beiseite, was ihn besonders interessiert: Messinggriffe, Kupferscharniere, Metallfüße, und vermerkt alles in seinem Notizbuch. Er verzeichnet auf der Lageskizze, wo er die Stücke gefunden hat, fotografiert sie und verstaut sie in Beweismitteltüten.
All das braucht seine Zeit.
Als er die ganze Fläche geräumt hat, kann er den Fußboden sehen – oder das, was von ihm übrig geblieben ist.
Er sieht sich den Fußboden an, und schon spricht das Feuer zu ihm.
Die Flüssigkeitsspur, die in der Garderobe beginnt, führt zum Bett.
»Interessant«, sagt Jack.
Hätte Bentley seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit getan, hätte er die Spur von der anderen Seite zurückverfolgt – von der Wodkapfütze bis zur Garderobe. Aber er hat es nicht getan. Für Jack, der es getan hat, ist die Spur wie ein aufgeschlagenes Buch.
Jemand hat eine Menge Brandbeschleuniger in der Garderobe verschüttet. Denn die Dielen sind dort nach unten durchgebrannt bis auf den Betonboden darunter. Dann hat jemand mit dem Brandbeschleuniger eine Straße gelegt – von der Garderobe bis zum Bett. Jack sieht das Brandmuster auf dem Fußboden, hier und da helle Flecken oder schwarze Löcher, wo das Feuer am heißesten wurde.
Aber neben dem Bett, wo die Scherben der Wodkaflasche lagen, gibt es kein Brandloch. Wer immer das Zeug verschüttet hat, war vorsichtig genug, es dort nicht hinzuschütten.
Jack hebt die verkohlte Matratze hoch und schiebt sie beiseite.Darunter müßte ein relativ unversehrter Fußboden zum Vorschein kommen. Das hat wieder mit dem Fall-down-Effekt zu tun: Wenn das Feuer neben dem Bett ausgebrochen ist, hat es die Holzkonstruktion des Betts in Brand gesetzt, die Konstruktion ist zusammengebrochen, die Matratze ist nach unten gesunken und hat den Fußboden vor den Flammen geschützt.
Aber was Jack unter dem Bett sieht, spricht eine andere Sprache. Denn jetzt spricht das Feuer wieder zu ihm, es flüstert, zischelt, zirpt ihm seine Wahrheiten zu. Hier in diesem Bett. Hier hab ich sie erledigt. Hab glatt das Dach durchschlagen.
Denn es liegt sehr viel Asche unter dem Bett – dort, wo sie nicht hingehört.
Jack wühlt sich durch die Asche.
Darunter ist ein großes Loch, unregelmäßig geformt, etwa von der Größe des Betts, mit einer Ausbuchtung auf der anderen Seite, dort wo die Flasche nicht stand.
Jack wühlt sich weiter in die Asche.
Gräbt sich durch die Dielung bis auf den darunterliegenden Beton, kratzt die Asche vom Beton und sieht einen weißen Fleck unter dem verrußten Beton.
Wieder Flüssigkeitsspuren.
Und wieder ein Hinweis auf Brandstiftung. Wenn es solche Flecken gibt, ist Brandbeschleuniger durch die Dielen getropft und hat den Alligator zu einem Snack nach unten gelockt.
Jack stellt sich vor das Loch im Boden und blickt nach oben, zum Loch im Dach.
»Heilige Scheiße«, sagt er.
Das Feuer brüllt ihn jetzt an.
Als würde es in ihm selbst brennen.
Wer immer das Feuer gelegt hat, hat eine Menge Brandbeschleuniger unter das Bett gegossen. Und dann Pamela Vale damit begossen. Sie von den Hüften bis zu den Füßen mit Brandbeschleuniger begossen. Und ein Streichholz angezündet.
Kein professioneller Brandstifter würde so was tun, denktJack. Eine Frau im Bett mit Brandbeschleuniger übergießen, das macht einer nur, wenn er persönliche Gründe hat, sexuelle. So was passiert aus Wut.
Auch hier die übliche Routine. Jack fotografiert den Fußboden in Farbe und Schwarzweiß, dokumentiert die Fotos, nimmt ein Video vom Zimmer auf. Gürtel und Hosenträger, denn er braucht eine Menge Beweise, wenn er vor die Geschworenen tritt.
Am besten wäre ein Lokaltermin für die Geschworenen, aber er weiß, dass es nicht passieren wird. Zum einen sind die Chancen, den Abriss zu stoppen, gleich null, zum anderen erlauben die Richter eine solche Besichtigung sehr selten, besonders wenn es Tote gegeben hat. Denn die emotionale Belastung könnte die Geschworenen in ihrem Urteil beeinflussen.
Dabei könnte schon der Augenschein beweisen, denkt Jack, dass Nicky Vale seine Frau im Ehebett verbrannt hat. Jack müsste die Geschworenen nur durch dieses Zimmer führen und ihnen erklären, was sie mit ihren eigenen Augen sehen ...
Aber das kann er vergessen. Deshalb dokumentiert er alles so genau wie möglich – mit Fotos, Videos, Lageskizzen – und sammelt Proben. Für jede »belastete« Probe zum Vergleich eine möglichst »unbelastete«.
Er verstaut die Proben in den Beweismitteltüten und macht seine Notizen
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