Die Sprache des Feuers - Roman
eröffnet ihm, dass er einen Kofferraum voller Proben mitgebracht hat.
»Kannst du das ein bißchen beschleunigen«, fragt er, »ich brauche sie gestern.«
»Hat wieder was gebrannt?«
» Jemand hat gebrannt«, sagt Jack.
Dinesh verzieht das Gesicht. »Wirklich wahr?«
»Wirklich wahr.«
»Ekelhaft.«
»Ich brauch das ganz schnell, Dinesh.«
»Heute noch?«
»Super«, sagt Jack. »Und es könnte sein, dass du irgendwann als Zeuge aussagen musst.«
»Tja«, meint Dinesh. »Dann hätte ich eine gute und eine schlechte Nachricht für dich.«
»Sag!«
»Die gute Nachricht ist, dass ich das heute noch machen kann.Ich setze ein paar Leute drauf an, schick dir die Rechnung, und du hast das Ergebnis noch heute.«
»Die schlechte Nachricht?«
»Die schlechte Nachricht ist, dass meine Zeugenaussage nicht hundertprozentig sicher wäre.«
»Wie das?«
»Ich bin nicht hundertprozentig sicher«, sagt Dinesh, »ob ein Gaschromatograph, selbst einer mit Massenspektrometer, die Spuren von Brandbeschleuniger zweifelsfrei nachweisen kann.«
Jack spürt, wie ihm der Boden unter den Füßen wegsackt.
»Wir haben das Ding doch immer benutzt«, sagt er. »Was ist falsch daran?«
»Wir leben im Plastikzeitalter«, sagt Dinesh. »Und nicht nur im übertragenen Sinn. Der moderne Haushalt ist vollgestopft mit Plastikartikeln, und jeder von ihnen produziert, wenn er verbrennt, tausende Verbindungen, die man mit Brandbeschleunigern verwechseln kann. Unser einfachster Massenspektrometer zum Beispiel weist im Petroleum zweihundert verschiedene Verbindungen nach.«
»Das heißt?«
»Ich habe auch schon mit einem neuen gearbeitet, der zwei tausend verschiedenen Verbindungen nachweist.«
»Zwei tausend ?«
»Allerdings«, sagt Dinesh. »Damit wird es ein bisschen einfacher, die schwarzen von den weißen Schafen zu trennen.«
»Und ein bisschen teurer?«, fragt Jack.
Dinesh lächelt. »Das einzige, was teurer ist als eine gute Analyse, ist eine schlechte Analyse. Fakt ist, dass ich mich nicht mehr vor eine Jury stellen und unter Eid aussagen könnte, dass die herkömmliche Analyse mit dem Massenspektrometer absolut zuverlässig ist.«
»Aber mit der neuen Methode könntest du das.«
»So neu ist sie nicht«, sagt er. Ich teste sie seit Monaten. Das Ding nennt sich GC x GC . Oder zweidimensionaler Gaschromatograph, wenn dir das lieber ist. Vielleicht ist es jetzt Zeit für einen Praxistest.«
»Bitte mach das.«
»Das wird aber kosten.«
»Wie viel?«
»Noch etwa zehntausend obendrauf.«
Macht nichts, denkt Jack. Du willst keinen Millionenprozess verlieren und dir dann sagen: Dafür habe ich aber zehntausend Dollar Laborkosten gespart .
»Einverstanden.«
»Jack, das mag ich an dir am meisten«, sagt Dinesh.
»Mach es auf die alte Tour, mach es auf die neue Tour, aber mach es. Bis du ein Ergebnis hast.«
Wie immer das lauten mag.
47
Letty besucht die Anonymen Alkoholikerinnen von Südkalifornien, die sich jeden Donnerstagnachmittag im selben Lokal treffen und daher als die »trockenen Lunch-Ladys« bekannt sind.
Was Letty schon kennt, sind Versammlungen in Kirchenkellern, wo man bei Keksbruch und dünnem Kaffee Geschichten über vertrunkene Mieten und einsame Bier- und Bourbon-Gelage austauscht.
Dass es auch »Ladys« gibt, die sich am hellichten Tage im »Geselligkeitsbereich« eines Yachthafen-Restaurants zusammenfinden, um ihre Erfahrungen und ihre Hoffnungen miteinander zu teilen, das war ihr neu. Aber Pam war eine von diesen Ladys gewesen, und deshalb ist Letty heute hier.
Und denkt: Diese Ladys sind die Wucht. Ich meine, dafür, dass sie alle ein Problem haben, sind sie in Topform. Dem Speck, den sie sich in ihren sündigen Zeiten angetrunken haben, sind sie auf Laufbändern und Steppern zu Leibe gerückt, und jetzt strotzensie vor Gesundheit, ihre Augen leuchten, ihr Haar glänzt – sie sehen richtig sexy aus. Sollten die Anonymen Alkoholiker jemals Fernsehwerbung machen – hier finden sie die ideale Besetzung.
Selbst Nicht-Alkoholikerinnen betrinken sich, um an den Meetings teilzunehmen und genauso gut auszusehen wie diese trockenen Lunch-Ladys.
Was zwölf kleine Schritte und ein paar hunderttausend Dollar nicht alles bewirken können, denkt Letty.
Jetzt sitzt sie also hier, und die Ladys trinken keinen dünnen Kaffee, sondern Frappuccino (koffeinfrei, mit fettarmer Milch) aus Plastikbechern. Es sind auch ein paar Gentlemen dabei, keine Bürotypen, sondern freie Makler und Versicherungsagenten,
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