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Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Titel: Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Wacker
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Leben, hat zunehmende Schwierigkeiten, den Karren am Laufen zu halten. Überflüssigerweise versucht Carsten einen Teil der inzwischen dramatisch verknappten kinetisch-potenziellen Energie in phonetische Energie umzuwandeln.
    «Wusstest du das? Ich meine das mit Horst?»
    «Gewusst nicht. Eher geahnt.»
    «Warum hast du mir nichts gesagt?»
    «Warum hätte ich dir was sagen sollen. – Vor allem: Was hätte ich dir sagen sollen und wann? Hör mal, Carsten, dein alter Freund Horst sprengt Leute in die Luft, halbtags zumindest, wenn er nicht gerade unschuldige Leben rettet. So in etwa?» Mandy-Ursulas Stimme klingt gepresst, Ströme von Schweiß laufen in einem komplizierten Muster durch die feinen Linien in ihrem Gesicht. Carsten würde sich jetzt gern etwas streiten, allein es fehlt die Kraft dazu.
    «Ja. Nein. Ich weiß auch nicht.»
    «Du hast vielleicht ein bisschen zu lange in deiner Wasserburg gehockt und Biere gestürzt. Ich möchte dir nicht wehtun – jetzt schon mal gar nicht –, aber in der Restwelt sieht es etwas anders aus. Und zwar seit geraumer Zeit.»
    «Aber Horst …»
    «… hatte einen Pankreastumor. Zwar noch nicht im Endstadium, aber eine beginnende Gelbsucht und der Gewichtsverlust waren schon augenfällig. Ich habe ihn dabei erwischt, wie er sich eins von seinen Pferdemitteln gespritzt hat. Da hat er es mir verraten.»
    «Hat er dir da auch …»
    «… von den Sprengmeistern erzählt? Nein, hat er nicht. Hat er nie, aber man konnte schon eins und eins zusammenzählen.»
    «Ich hätte nie gedacht, dass Horst so was tun könnte?»
    «Ich glaube, du kennst dich mit Pflanzen besser aus als mit Menschen. – Von Katzen ganz zu schweigen.»
    «Aber Horst war immer so …»
    «Menschenfreundlich? Wolltest du das sagen?»
    «Nicht direkt, aber etwas Besseres fällt mir auch nicht ein.»
    «Horst war in erster Linie verzweifelt. Einmal, weil er seinen Patienten nicht helfen konnte, zum Zweiten, weil er sich selbst nicht helfen konnte, von anderen ganz zu schweigen. Und wenn die Verzweiflung mangels Masse aufhört, beginnt die Wut. Ich habe das schon oft erlebt.»
    «Bei dir auch?»
    «Auch bei mir.»
    «Und jetzt?»
    Mandy-Ursula beginnt zu grinsen. Im Vergleich zu der Massengrab-Gedächtnis-Miene, die sich im Laufe der letzten Minuten wie kalter Nebel über ihre Gesichtszüge gelegt hatte, ist es, als würde jemand Zuckerguss über die Sommersonne gießen.
    «Jetzt habe ich dich.»
    «Hattest du vorher auch.»
    «Aber jetzt wieder für länger.»
    «Da bin ich mir nicht so sicher.»
    Mandy-Ursula stockt.
    «Gefalle ich dir nicht mehr?»
    Statt zu antworten, sackt Carsten einfach wortlos in sich zusammen und bleibt wie ein altes Gepäckstück zu Mandy-Ursulas Füßen liegen.
    «Mist, wir müssen deine Wunde versorgen. Habe ich ganz vergessen.»
    Ohne sich um die Schmerzlaute zu kümmern, zerrt Mandy-Ursula Carstens bluttriefendes T-Shirt aus der Hose.
    «Gottseidank, glatter Durchschuss. Die Blutung ist schon zurückgegangen.»
    «Das liegt daran, dass ich kein Blut mehr habe, glaube ich», flüstert Carsten, «jedenfalls nicht mehr viel.»
    «Bis nach Hause reicht es noch. Ich muss dich nur verbinden und du bist wieder wie neu.»
    Trotz seines angegriffenen Zustands ist Carsten noch in der Lage, einen matten Scherz von einem Brüller zu unterscheiden.
    «Nett gemeint, Zuckerschnecke, aber wir wissen beide, dass hier Endstation für mich ist. Ich kann nicht mehr und du bist auch am Ende deiner Kräfte. Lass mich einfach hier liegen.»
    «Lass mich einfach hier liegen? – Ich kann diese melodramatische Kacke nicht hören. Lass mich einfach hier liegen. Scheiß drauf.»
    Sie beginnt an Carstens rechtem Arm zu ziehen. Ohne Erfolg.
    «Brauchst du Hilfe, Julia, oder willst du es lieber gleich mit einem richtigen Romeo versuchen?»
    Mandy-Ursula und Carsten wenden ihre Köpfe in einer 1a-choreographierten Bewegung gleichzeitig zum Verursacher der letzten Wortmeldung.
    «Scheiße!», kommt es unisono aus ihrem Mund. Vor ihnen steht – schwarz wie die Füße eines Kettenrauchers – ihr alter Zwangsfreund und Dennoch-Helfer Erkan Ederim.

cxvi Way back home
    «Was machst du hier? Ich dachte, du wärst schon lange über alle Berge?»
    «Wäre ich auch. Aber dann fiel mir ein, dass ich besser noch ein paar Spuren verwische. Schließlich weiß man nie, wer übrig bleibt.»
    «Oder was übrig bleibt.»
    «Genau. Und deshalb habe ich der Sicherheitszentrale einen zweiten Besuch abgestattet und ein bisschen

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